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Die richtige Wahl

Immer wieder lassen sich Kosmetikerinnen bei der Wahl ihrer Marken und Produkte von subjektiven, teils emotionalen Kriterien leiten. Ein Fehler, meint Autorin Ingrid Breyer. Auf was es dabei wirklich ankommt, erklärt sie Ihnen in diesem Beitrag.

Veröffentlicht am 25.03.2021

Das Angebot und die Auswahl an kosmetischen Marken und Produkten scheint unerschöpflich. Für jeden Anspruch, in jeder Preisklasse und passend zu jedem Konzept gibt es Sortimente für den Verkauf und auch für die Anwendung in der Kabine. Und das sowohl beim Grosshandel als auch im selektiven Vertrieb und der Depot-Kosmetik. Das macht die Entscheidung für Sie als Kosmetikerin nicht einfach und erfordert eine klare Vorgehensweise bei der Auswahl und Abwägung. Und das in verschiedener Hinsicht! Viel zu oft entscheidet sich die Kosmetikerin völlig unabhängig von den relevanten Faktoren für eine Marke oder auch für einzelne Serien und Produkte. Marken-Image und Design gefallen ihr einfach, die Repräsentantin ist sympathisch und die Konditionen sind auf den ersten Blick gut. Die Gründe für eine schnelle Entscheidung sind vielfältig. Häufig schwärmt eine Kollegin von einer Marke und man lässt sich davon anstecken. Dabei vergisst man gern, dass die Kollegin eine ganz andere Zielgruppe anspricht als man selbst, eine andere Altersklasse bedient, in einer anderen Preisklasse arbeitet und auch sonst ein völlig anderes Konzept in ihrem Institut hat. Was bei der einen Kosmetikerin gut angenommen und erfolgreich verkauft wird, muss bei der anderen nicht automatisch ebenfalls funktionieren. Leider ist sogar meist das Gegenteil der Fall.

 

Passend zum Geschäftskonzept
Jede Kosmetikerin sollte auf Basis ihres persönlichen Geschäftskonzepts die passende Marke und die entsprechenden Produkte auswählen. Das will gut überlegt sein. Denn es macht unglaubwürdig, wenn man immer wieder die Marke oder die Philosophie wechselt; heute wird Marke A als Nonplusultra präsentiert und in wenigen Monaten Marke B und C. Zwischendurch mal das Konzept und damit auch das Sortiment kritisch auf den Prüfstand zu stellen, ist immer gut. Fragen Sie sich also: Was verkauft sich gut, was weniger, was gar nicht. Bereinigen Sie dann Ihr Sortiment und nehmen Sie moderate Veränderungen vor. Zielgruppe und Kunden verändern sich, sie werden anspruchsvoller und informierter. Und auch Sie als Kosmetikerin entwickeln sich weiter. Das darf sich im Sortiment auch widerspiegeln.

Bei der Auswahl einer Marke oder von Produkten sollte man unterscheiden, ob es sich um ein bestehendes Kosmetikinstitut handelt oder um eine geplante Neueröffnung. Das etablierte Institut verfügt über einen Kundenstamm, ein bestehendes Behandlungskonzept, eine Philosophie und auch die Preiskategorie, in der es tätig ist. Wenn sich dann nach einer gewissen Zeit der Kundenkreis verändert oder verändern soll, etwa mehr junge Kunden dazukommen oder auch Männer, und ferner neue Behandlungen, etwa Pediküre oder Körper-Treatments in Erwägung gezogen werden, ist die ergänzende Hinzunahme einer weiteren Marke oder auch eines Teilsortiments stets empfehlenswert.

In jedem Fall müssen die neu gewählten Produkte zur Preiskategorie sowie der grundsätzlichen Philosophie und Positionierung Ihres Instituts passen. Gibt es hier extreme Ausschläge in eine andere Richtung, so wird das Unterfangen nicht von Erfolg gekrönt sein und stellt Ihre Arbeit infrage.

 

Kein übereilter Rundumschlag!
Auf keinen Fall sollten Sie das ganze Sortiment von heute auf morgen vollständig umstellen, etwa von konventioneller Kosmetik zu zertifizierter Bio-Kosmetik oder von Anti-Aging-Wirkstoff- zu reiner Wohlfühl-Kosmetik. Damit sind nicht nur die bestehenden Kunden überfordert, auch Sie als Kosmetikerin werden es sein. Darunter leidet das über Jahre oder womöglich Jahrzehnte zu den Kunden aufgebaute Vertrauen. Hier sollten Sie sorgsam abwägen, welche Produkte bzw. Marken sowohl neue Kunden ansprechen als auch die bestehende Klientel weiter begeistern könnten. Die richtige Balance zu finden, ist die Herausforderung.

Mit Authentizität zum Erfolg
Auch für ein neues Kosmetikinstitut ist die Auswahl der passenden Marke(n) enorm wichtig. Es ist der falsche Weg, zuerst die Marken auszuwählen und das Behandlungskonzept dann an diesen auszurichten. Der erfolgreiche Weg führt zwingend andersherum. Eine Kosmetikerin, die sich selbstständig machen möchte, braucht ein eigenes Konzept und eine klare Philosophie, will sie authentisch und erfolgreich sein. Die Produkte werden dann passend dazu ausgewählt und runden das Konzept optimal ab. Produkte und Behandlungen sollten in Synergie miteinander arbeiten. Die Kunden kommen wegen Ihrer Kompetenz und der Behandlungen zu Ihnen und auf Dauer nicht ausschliesslich wegen einer Marke. Wenn die Dienstleistung nicht stimmt, dann gelingt es Ihnen auch mit der besten Marke nicht, die Kunden langfristig zu binden.

Hier ein paar Beispiele: Möchten Sie gezielt Männer in Ihr Institut locken, sollten Sie mehr als nur einige wenige Produkte «für Ihn» im Sortiment haben. Ähnlich verhält es sich mit Körperbehandlungen. Wollen Sie junge Kunden ansprechen, dann bedenken Sie, dass deren Haut andere Bedürfnisse hat. Gerade junge Menschen schätzen ausserdem vegane und/oder nachhaltig produzierte Produkte. Und sie haben andere Preisvorstellungen als ältere Kunden. Sie müssen also wissen, wen Sie ansprechen und behandeln möchten. Dazu passend wählen Sie das Sortiment aus. Soll eine finanziell gehobene Zielgruppe angesprochen werden, so sollte das Sortiment auch Produkte in dieser Preisklasse bieten.

 

Ein Blick aufs Gesamtpaket
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Sie lieber mit einer Depot-Marke arbeiten möchten oder einer aus dem selektiven Vertrieb, die es nicht an jeder Ecke gibt und die neben einer guten Qualität, Behandlungsritualen und einem ausgewogenen Sortiment Sie auch in Ihrer Arbeit unterstützt. Dies kann in Form von Schulungsangeboten sein, einer guten Betreuung durch den Aussendienst, Weiterbildungsmöglichkeiten, der Hilfe bei Werbemassnahmen, Verkaufs- und Geschenkaktionen oder der Bereitstellung von Bild- und Deko-Material. Diese Unterstützung ist viel wert, kostet es doch jede Menge Zeit und Geld, sich um all das selbst zu kümmern.

 

Klare Verhältnisse
Möglicherweise sind bei einer Depot-Kosmetik die Kosten für Einstieg und Erstauftrag etwas höher, was sich aber durchaus für Sie auszahlt. Kosmetikerinnen scheuen sich mitunter vor einer vertraglich festgelegten Abnahmevereinbarung, vergessen dabei aber leicht, dass diese auch für sie «klare und planbare Verhältnisse» mit sich bringt. Wahlweise können Sie Marken aussuchen, die weniger umfassend sind und Teilsortimente für eine bestimmte Zielgruppe bieten. Alternativ können Kosmetikerinnen ihr Sortiment durch Produkte vom Grosshandel ohne jegliche Abnahmeverpflichtung ergänzen. Hier ist die Handelsspanne geringer. Behandlungsvorschläge, Produktschulungen, Werbematerial und eine persönliche Betreuung sind meist Fehlanzeige.

Immer wieder gehen Kosmetikerinnen bei der Produktauswahl von sich selbst aus und übersehen bei aller Euphorie ihre Kunden. Ein bestehendes Institut sollte alle relevanten Informationen für eine Neuausrichtung nutzen. Wer sind die Kunden, mit denen der Umsatz gemacht wird? Zu welcher Altersklasse gehören sie? Welche Behandlungen buchen sie? Wer von ihnen kann mit dem neuen Sortiment überhaupt angesprochen werden? Es hilft, sachlich zu analysieren, welche Produkte tatsächlich gekauft werden. Dies gibt Aufschluss darüber, in welche Richtung sich das Sortiment entwickeln könnte.

Die grosse Vielfalt an Produkten und Marken ermöglicht heute individuelle Lösungen, birgt aber auch das Risiko, dass Sie sich falsch entscheiden. Wägen Sie daher konsequent ab, lassen Sie sich Zeit, informieren Sie sich und beziehen Sie auch kaufmännische Aspekte in Ihre Überlegungen mit ein.

Checkliste: Was suche ich?

  • Suchen Sie ein Ergänzungssortiment zu den bestehenden Hauptmarken?
  • Welcher Art soll das Ergänzungssortiment sein, um die bestehenden Kunden und möglichst auch Neukunden anzusprechen?
  • Möchten Sie Ihre Hauptmarke wechseln oder genügen einige Serien als Ergänzung, weil Ihre Hauptmarke den gewünschten Bereich nicht ausreichend abdeckt?
  • Für welchen Kundenkreis ist die Ergänzung Ihres Sortiments überhaupt vorgesehen? Kommen diese Kunden bereits zu Ihnen ins Institut oder möchten Sie sie damit neu für sich gewinnen?
  • Wie passt das neue bzw. ergänzende Sortiment zum bestehenden Konzept Ihres Unternehmens, zu Ihrer Preisklasse und zur Philosophie des Instituts?

 

 

 

 

Autorin
Ingrid Breyer ist Kosmetikerin und Heilpraktikerin. Sie war viele Jahre lang in leitenden Positionen in der Kosmetikbranche tätig. Seit 2002 berät sie Institute und Spas zu den Themen Konzeptfindung, Vertrieb, Marketing und Verkauf. Ausserdem ist sie als Autorin tätig.
ingrid.breyer@i-m-breyer.de

 

 

Text: Ingrid Breyer

Fotos: stock.adobe.com (3), Ingrid Breyer (1)

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