FACE & BODY

Immer der Nase nach

Jeder unserer fünf Sinne ermöglicht uns eine ganz besondere Wahrnehmung. So verknüpft das Riechen Dufterlebnisse mit Erinnerungen und öffnet uns dabei den Weg zu unseren Gefühlen – weiss unsere Autorin Sibylle Kohler-Vucemilovic.

Veröffentlicht am 26.01.2022

Kennen Sie die Situation? Sie schlendern durch die Stadt und plötzlich erschnuppern Sie einen angenehmen Duft, der Ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dann erkennen Sie den Geruch: frisch gebackener Kuchen! Schlagartig sorgt die Erinnerung an diesen bekannten Duft dafür, dass Sie sich vor Ihrem inneren Auge z. B. an einer Kaffeetafel mit der Familie sitzen sehen.

 

Besondere Kompositionen

Düfte zu beschreiben ist nicht einfach. Man behilft sich hier mit Vergleichen aus der Welt der Musik. Ein von einem Parfümeur komponierter Duft heisst Note, und wie in der Musik ist eine Duftnote ein Ereignis, das in der Zeit abläuft. Beim Öffnen einer Flasche oder eines Flakons riecht man zuerst die Kopfnote, nach dem Auftragen des Duftes auf die Haut die Herznote und erst viel später wird die Basisnote riechbar, die in der Kleidung oft noch tagelang erhalten sein kann. Das alles geschieht sanft und fliessend ineinander übergehend.

Düfte sind wie Bilder, für die wir kaum Worte haben, die uns aber innerlich ergreifen. Sie lassen in uns erstaunlich bildhafte Erinnerungen – oft aus der Kindheit – aufsteigen. Ein Sommertag auf einer Wiese, Bratwürste auf einem Fest oder der Geruch von gebrannten Mandeln, Anisbonbons und Glühwein auf einem Weihnachtsmarkt lassen ein Bild vor unserem geistigen Auge entstehen – so klar und deutlich, als sei es gestern gewesen.

 

Es gibt einen Zusammenhang von Duft und Emotion

Inzwischen wurde einwandfrei bewiesen, dass bestimmte Gerüche Stimmungen oder Gedankenassoziationen hervorrufen, ohne dass wir den Zusammenhang unmittelbar erkennen. Zu allen Zeiten und bei allen Völkern spielten duftende Substanzen und Farben als Heil- und Kultmittel eine bedeutende Rolle. Entwicklungsgeschichtlich gesehen ist der Geruchssinn einer der ersten Sinne und im ältesten Teil unseres Gehirns angesiedelt. Dieser wird auch bei menschlichen Embryonen deutlich früher ausgeprägt als die anderen Sinne.

Neuere Forschungen haben gezeigt, dass sogar Ungeborene Duftvorlieben und Duftabneigungen ihrer Mütter im Mutterleib übernehmen. Der Geruchssinn, der lange nur für ein Überbleibsel aus prähistorischer Zeit gehalten wurde, ist der einzige Sinn, der einen direkten Zugang zum Zentrum unserer Erinnerungen und Emotionen hat. Die psychosomatische Medizin fand heraus, dass im sogenannten limbischen System und seinen Verknüpfungen die wesentlichen Schaltstellen zwischen körperlichen und seelischen Prozessen liegen. Seine bedeutendsten Strukturen sind der Hippocampus und die Amygdala (Mandelkern). Das limbische System ist über doppelläufige Bahnen mit den Gehirnarealen verbunden, in denen Denken und Erinnerungen lokalisiert sind und die Verarbeitung von Sinneseindrücken stattfindet. Gerüche bewirken darum mehr als uns bewusst ist. Sie beeinflussen unsere Erinnerungen und Emotionen. Um Düfte zu beschreiben, reicht jedoch oft unser Wortschatz nicht aus, denn Sprache und Logik sind in jüngeren Gehirnarealen beheimatet. Umso besser erinnern wir uns an Düfte, weil der Geruchssinn eng mit unserem Gedächtnis gekoppelt ist. Gefühle, Vorlieben, Ängste und Abneigungen sind vielfach mit Dufterlebnissen verbunden. Duftstoffe können deshalb unsere Stimmung und unser Wohlbefinden beeinflussen, ohne dass uns bewusst ist, warum.

 

Kurzer Blick in die Vergangenheit

Die Geschichte der Duftkultur beginnt vor mehr als 5000 Jahren. Wohlriechende Essenzen zogen Assyrer, Ägypter und Griechen in ihren Bann und die Überlieferung bezieht sich auf für uns kaum vorstellbare, weit zurückliegende Zeiträume. Indigene Stämme wie die Inkas und Mayas behandelten mit Riechstoffen und Kräuterbädern erfolgreich viele Krankheiten. In tibetischen und indischen Tempeln hingen grosse, mit Kräutern gefüllte Stoffballen von den Decken, die die Luft mit aromatischen Düften erfüllten. Kranke sassen im Gebet vertieft und atmeten diese heilenden Aromen ein.

Auch zwischen Duft und Religion finden wir bei vielen antiken Völkern einen Zusammenhang. So war Weihrauch ein bevorzugtes Opfermittel – und ist es auch heute noch. Denken wir nur an die Geschenke der drei Weisen aus dem Morgenland, die in der Bibel erwähnt werden. Sie überreichten Weihrauch, Myrrhe und Gold. Das waren zu dieser Zeit besonders heilige und magische Güter. Auch das Wort «Parfum» leitet sich in seinem ursprünglichen Sinn von den lateinischen Worten «per» (durch) und «fumus» (Rauch) ab, was «Räucherwerk» bedeutet.

Die Römer importierten Duftstoffe aus den Ländern ihres Imperiums. Über Persien und die Berührung mit den orientalischen Hochkulturen kam eine neue Duftkultur auch nach Europa. Im Altertum war die Verwendung von Duftstoffen nur wenigen Gesellschaftsschichten vorbehalten: den Priestern, Königen und Adligen. Die Herrscher des Mittelalters holten sich neben Astrologen und Wissenden eben auch Parfümeure an ihre Höfe. Diese mussten für die verschiedensten Gelegenheiten Duftkompositionen kreieren, um die Sinne zu beflügeln und zu berauschen. Die Erfahrung, dass gewisse Gerüche unsere Einbildungskraft reizen und beeinflussen, war im Übrigen auch in der Neuzeit mitbestimmend bei der Gründung der weltumspannenden Riechstoff- und Aroma-Industrie. Zahlreiche duftende Substanzen üben zugleich Einfluss auf unsere Geruchs- und Geschmacksnerven aus. Manche Aromaöle sind in der Lage, Bakterien zu bekämpfen. Der Trend zur Raumbeduftung hat inzwischen auch den kommerziellen Bereich erreicht. Wo es angenehm riecht, halten wir uns gerne auf. Düfte können motivieren, eine Einkaufstour nicht als stressig und kräftezehrend zu empfinden.

Umsatzsteigernde Duftimpulse

Der Swarovski-Shop in Österreich erzielte z. B. nachweislich eine Umsatzsteigerung um etwa 15 %, nachdem eine Duftinstallation das Erleben von Licht, Klang und Farbe abgerundet hat. Duftmoleküle lösen einen Reiz aus, der direkt in unser Gehirn weitergeleitet wird. Liegt der «richtige Duft» in der Luft, fühlen sich Mitarbeiter und Kunden wohler und motivierter. Düfte nehmen Einfluss auf das Raumklima und damit auf die Befindlichkeit. Derartige Dufterlebnisse bleiben in unserer Erinnerung abgespeichert.

Jedoch gilt hier erhöhte Vorsicht, denn die gute Absicht kann sich leicht ins Gegenteil verkehren und bei Abneigung zu negativen Gefühlen führen. So verbindet z. B. der eine Lavendelduft mit einer wunderbaren Erinnerung an einen traumhaften Urlaub in der Provence, während der andere dabei nur an eine furchtbare alte Tante erinnert wird, die Lavendelwasser bevorzugte und den Duft ständig verbreitete. Oder ein Dritter assoziiert den Geruch sogar mit der Insektenbekämpfung. Das bezeichnet man in der Forschung als das individuelle Duftgedächtnis.

Ähnlich wie sich unser Farbempfinden nach dem Verlauf der Jahreszeiten ändert, dass wir z. B. die gedeckten Töne der Farben des Herbstes von den lichten, leichten Frühlingsfarben unterscheiden, geht es uns auch mit Düften. Genauso wie wir einem anderen Menschen keine Farbe aufdrängen sollten, sollten wir ihm auch keinen Duft aufnötigen, den er ablehnt. Man sollte hier stets die eigene Nase entscheiden lassen, denn jeder nimmt einen Duft auf seine Weise wahr. Allgemein kann man sagen, dass Zitrusdüfte wie Zitrone, Bergamotte und Neroli als leicht und spritzig wahrgenommen werden. Wir finden sie bevorzugt in der warmen Jahreszeit. Man kann diese sowie Teebaum-, Pfefferminz- oder Eukalyptusöl aber auch zur Raumbeduftung verwenden, denn sie vermitteln ein Gefühl von Frische und Leichtigkeit. In der kälteren Jahreszeit werden für Parfums gerne holzige oder würzige Aromen verwendet. In Räumen können Düfte, die an Apfel, Vanille oder Weihnachtsgebäck erinnern, zum Wohlbefinden beitragen, denn diese werden zumeist mit positiven Emotionen verknüpft.

 

Am besten passend

Findet man den «richtigen», passenden Duft wird damit meistens das persönliche Wohlbefinden gesteigert. Beleben Sie Ihre Sinne und experimentieren Sie, bis Sie Ihren eigenen Wohlfühlduft gefunden haben. Die Angebotspalette an ätherischen Ölen ist riesig und reicht von belebenden, erfrischenden Düften bis hin zu beruhigenden wie z. B. Lavendel und Rose. Achten Sie aber unbedingt darauf, natürliche Duftöle und keine synthetischen Erzeugnisse zu verwenden, auch wenn sich hier ein Preisunterschied bemerkbar macht.

 

Da liegt was in der (Herbst-)Luft

Laut Einschätzung des Biologen und Geruchsforschers Prof. Dr. Dr. Hanns Hatt von der Universität Bochum besitzt jede Jahreszeit ihren eigenen Geruch – denken Sie beispielsweise an blühende Fliederbüsche oder Maiglöckchen im Frühjahr. Im Herbst hingegen riecht es oft leicht modrig nach gefallenem Laub oder Pilzen. Diese Düfte werden je nach persönlicher Erinnerung von uns als angenehm oder unangenehm wahrgenommen.

Wie wunderbar, wenn man sich riechen kann...

Selbst das menschliche Liebesleben wird durch die Wahrnehmung von Duftstoffen stark beeinflusst. Unser vegetatives Nervensystem reagiert auf gewisse Gerüche und wir fühlen uns von einer Person angezogen oder abgestossen. So verwenden wir in unserer Sprache Aussagen wie «den kann ich nicht riechen». Hauptsächlich werden Düfte verwendet, um Sympathie zu erzeugen. Die magische Kraft der Duftstoffe hat schon manches Objekt verführt. Biologie und Medizin entdecken zudem immer neue Details des menschlichen Geruchssystems. Deren Erkenntnisse werden neuerdings auch bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen angewandt. Bestimmte Duftstoffe trösten die Seele und können z. B. Depressionen lindern.

 

 

 

 

 

 

Autorin: Sibylle Kohler-Vucemilovic
Die Betriebswirtin verfügt über mehr als 30 Jahre Berufserfahrung in internationalen Unternehmen. 1995 liess sie sich zur Farb- und Stilberaterin ausbilden und ist heute als Personal Coach mit Schwerpunkt Farbpsychologie tätig.

Kontakt: SibylleKV@web.de

 

 

 

 

Text: Sibylle Kohler-Vucemilovic

Fotos: stock.adobe.com (3), Sibylle Kohler-Vucemilovic (1)

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