Cold Plasma
Die moderne Plasmamedizin hat ein Therapieverfahren hervorgebracht, das sich insbesondere im Bereich der Wundbehandlung bewährt. Cold Plasma findet seinen Platz aber auch in der medizinisch orientierten Kosmetik.
Haben Sie schon einmal ein Polarlicht in freier Natur bewundert oder über die kraftvolle Intensität von Blitzen während eines Gewitters gestaunt? Dann konnten Sie bereits die Entstehung von Plasma in unterschiedlichen Ausprägungen beobachten. Hier jedoch geht es nicht um hochenergetische Naturphänomene, sondern um eine innovative Technologie, die für die therapeutische Anwendung in der Medizin entwickelt wurde: kaltes Plasma. Von den Wirkmechanismen und den Vorzügen dieses physikalischen Verfahrens können zunehmend auch Kunden im Kosmetikinstitut profitieren. Überzeugt von dem Zukunftspotenzial dieser Behandlungsmethode haben Unternehmen wie PlasmaCos aus Berlin auf der Basis fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse Betriebsgeräte entwickelt, die speziell für den Einsatz im Kosmetikinstitut gedacht sind. «Die Entwicklung der kalten Plasma-Technologie basiert auf einer langjährigen Forschungskooperation mit dem Fraunhofer- Anwendungszentrum für Plasma und Photonik in Göttingen sowie der Ruhr-Universität in Bochum», erklärt Dr. Dirk Wandke, der Geschäftsführer der PlasmaCos GmbH. «Die Faszination für diese Technologie beruht auf der Überzeugung, dass Anwendungen mit kaltem Plasma die Zukunft der Kosmetik grundlegend verändern werden.»
Der vierte Aggregatzustand
Was versteht man eigentlich unter Plasma? In der Physik werden drei klassische Zustände eines Stoffes unterschieden – die Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig. Plasma gilt als der vierte Aggregatzustand, der entsteht, wenn einem Gas weitere Energie zugeführt wird. Dieses Gas wird dann zu einem Gemisch, das überwiegend aus Ionen und Elektronen besteht und sich dadurch in einem angeregten Zustand befindet. Höhere Temperaturen steigern die Aktivität der in dem Gemisch enthaltenen, unterschiedlich geladenen Teilchen.
Neue Forschungsdisziplin
In der noch jungen Disziplin Plasmamedizin wird zwischen heissem und kaltem Plasma unterschieden. Heisses Plasma erreicht hohe Temperaturen, deshalb ist es für eine schonende Anwendung auf lebenden Zellen oder Gewebe ungeeignet. Behandlungen mit thermischem Plasma dürfen nur von Ärzten durchgeführt werden, etwa zur Blutstillung bei Operationen oder der Entfernung von Tumoren. Auch Dermatologen setzen Hot Plasma ein – z. B. bei Gesichtsstraffungen. Hierbei hat das Plasma eine Temperatur von 100 bis 120 Grad Celsius. Kaltes Plasma – dessen fachliche Bezeichnung korrekterweise «Cold Atmospheric Plasma» (CAP) bzw. kaltes Atmosphärendruckplasma lautet – ist hingegen sanft und gewebeverträglich, denn es erreicht niedrige Temperaturen von unter 40 Grad Celsius. Bei der Erzeugung setzt man auf das Prinzip der stillen Barriere-Entladung mit Wechselstrom (Dielectric Barrier Discharge oder auch DBD). Es basiert auf dem Wechselspiel von Anode und Kathode, die von einem Medium umgeben sind. Üblicherweise ionisieren isolierte Elektroden die Umgebungsluft, bei der Technologie der Firma PlasmaCos hingegen fungiert die Haut als Gegenpol, auf der sich das Plasma dann auch direkt und gezielt entlädt.
Klinische Erfahrungen
Über umfangreiche Erfahrungen mit diesem Verfahren in der medizinischen Therapie verfügt der Mediziner Prof. Dr. Steffen Emmert. Er ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie an der Universitätsmedizin in Rostock. Hier ist die Wundbehandlung mit nicht-thermischem Plasma bereits seit einiger Zeit Standard.
Innovatives Wundmanagement
Professor Emmert spricht in diesem Zusammenhang von einer komplexen multimodalen Wundbehandlung. Hierbei werden unterschiedliche Maßnahmen ergriffen – von der Entfernung von totem Gewebe über die Desinfektion bis hin zum Aufbringen einer Wundauflage. «Und dabei wird auch immer eine Plasma-Behandlung durchgeführt, sie ist bereits in der Routine verankert», erklärt der Mediziner. Darüber hinaus sei sie praktisch frei von Nebenwirkungen und das Verfahren gut erforscht. «Kaltes Plasma», so Emmert, «bietet verschiedene Wirkungen in einer einzelnen Applikation: die Keimabtötung und die Mikrozirkulation. » Bemerkenswert ist dabei, dass bei der Keimabtötung keine Entwicklung von Resistenzen auszumachen ist – selbst bei den multiresistenten Problemkeimen (MRSA), die nicht mehr auf Antibiotika ansprechen. Die Anwendung von kaltem Plasma ist zudem einfach und zeitsparend und eignet sich somit auch für den ambulanten Einsatz bei Pflegediensten. Das käme dann besonders älteren Patienten zugute, die – so Emmert – z. B. an Wunden am Unterschenkel leiden, die durch Varizen oder Diabetes ausgelöst werden. Gute Erfahrungen mit der Kalt-Plasma-Therapie hat der Rostocker Mediziner aber auch bei der Behandlung von Druckgeschwüren oder bei schlecht heilenden Narbenarealen gemacht. Eine mobile Wundversorgung würde somit bettlägerigen Patienten eine effiziente und wenig aufwendige Behandlung im gewohnten Umfeld ermöglichen. Weitere Einsatzmöglichkeiten sieht Emmert z. B. in der Dermatologie bei der Behandlung von Neurodermitis. Die entzündliche Erkrankung geht mit einer vermehrten Keimbesiedlung einher. Hier, so der Klinikdirektor, gelte die Keimreduktion als Therapieprinzip.
Interessante Erkenntnisse
Vielversprechend scheint der Einsatz von nicht-thermischem Plasma auch bei viralen Erkrankungen wie Gürtelrose oder Lippenherpes zu sein. Es gibt selbst Publikationen, die die Wirksamkeit von Cold Plasma gegen Nagelpilz belegen. Angesichts dieser therapeutischen Optionen und Perspektiven verwundert es nicht, dass Professor Emmert von dem grossen Potenzial der Plasmamedizin überzeugt ist. Angesichts der Erkenntnisse und Erfahrungen aus der klinischen Therapie stellt sich ganz automatisch die Frage, ob und wie man kaltes Plasma in kosmetische Behandlungen einbinden kann. Cold Plasma empfiehlt sich in der professionellen Hautpflege aufgrund der folgenden Eigenschaften.
- Es wirkt antimikrobiell, d. h. Keime, Bakterien und Pilze werden deutlich reduziert, ohne dabei gesunde Zellen anzugreifen.
- Es fördert die Mikrozirkulation der Haut, wodurch diese gut mit Sauerstoff, Vitaminen, Mineralien, Enzymen sowie Nährstoffen versorgt wird.
- Es erhöht die Durchlässigkeit (Permeabilität) der Hornschicht der Haut, sodass Wirkstoffe besser und tiefer in diese eindringen können.
- Es verursacht bei der Anwendung keine unerwünschten Irritationen der Haut oder Schädigungen der Hautbarriere. Angesichts dieses Wirkspektrums wird ersichtlich, dass sich Cold Plasma vielseitig im Kosmetikinstitut einsetzen lässt. Die entzündungshemmende Wirkung ist bei der Behandlung von Akne oder unreiner Haut von Nutzen. Kalt-Plasma kann zudem bei Couperose unterstützend angewendet werden.
Hautverjüngende Wirkung
Eine verbesserte Durchblutung und Nährstoffversorgung der Haut unterstützt besonders reife Haut bei der Regeneration. Die intensivierte Einschleusung von Wirkstoffen wie der Hyaluronsäure zieht einen Booster-Effekt nach sich, von dem Kunden im Rahmen von Anti-Aging-Behandlungen profitieren können. Ein weiterer Vorteil von nicht-thermischem Plasma besteht darin, dass die Applikation als solche die Haut nicht noch zusätzlich reizt. Das wird auch der Kunde als angenehm empfinden und sehr zu schätzen wissen. Nun ist die apparative Behandlung mit kaltem Plasma als solche bereits sehr wirksam. Kann diese womöglich noch mit passenden Pflegeprodukten optimal unterstützt werden? Bei Anti-Aging- Treatments ist der Einsatz von entsprechenden Wirkstoffen naheliegend. Hierfür empfehlen sich Präparate mit Hyaluronsäure, die mittels kaltem Plasma tiefer in die Haut eingeschleust werden kann. Die Kosmetikerin Dunja Ringma spricht aber noch eine zusätzliche Empfehlung aus. Sie setzt bei ihren Kalt-Plasma-Behandlungen auf probiotische Pflegeprodukte. Deren Leitwirkstoff wird in der Regel aus natürlichen Milchsäurebakterien gewonnen. Auch Plasma- Cos bietet diese als Ergänzung zu seinen apparativen Treatments an. Sie sind so abgestimmt, dass sie bei jedem Hauttyp und in jedem Alter angewendet werden können. Probiotische Präparate wirken sich günstig auf das Mikrobiom der Haut aus. Und das ist für die Hautqualität und -gesundheit von grosser Bedeutung. Wenn das Mikrobiom in Balance ist, dann ist auch die Hautbarriere gestärkt und intakt. Negative Umwelteinflüsse können dann ebenso gut abgewehrt werden wie schädliche Keime. Zudem, so Ringma in ihren Anwendungsempfehlungen, werde der Feuchtigkeitsverlust der Haut verhindert und deren Jugendlichkeit gefördert.
Wie fühlt es sich an?
Abschliessend stellt sich doch noch die Frage, wie sich eine Behandlung mit kaltem Plasma tatsächlich anfühlt. Sie ist weder schmerzhaft, noch spu?rt der Kunde ein störendes Hitzegefühl auf seiner Haut. Cold Plasma erzeugt eine niedrige Temperatur, die keinerlei Beschwerden verursacht. Diese Eigenschaften sind erfreulich, denn dem Kunden wird eine effektive Behandlung ermöglicht, die angenehm und nicht belastend ist. Aber irgendetwas muss man doch merken? In der Tat! Hautpflege-Profi Dunja Ringma hat die Anmutung des kalten Plasmas während der Applikation sehr charmant beschrieben: «Das leichte Britzeln auf der Haut fühlt sich an wie ein Kuss.» Und das klingt ja schon fast wie eine Versuchung, finden Sie nicht auch?
Gut zu wissen: Kaltes Plasma im Kosmetikinstitut
Die Kalt-Plasma-Behandlung lässt sich leicht in das Portfolio der Kosmetikerin mit entsprechender Ausbildung integrieren. Das Konzept von PlasmaCos ist z. B. auf das eigens entwickelte Gerät «PlasBelle» ausgelegt. Die Kosmetikerin erhält Behandlungsempfehlungen für unterschiedliche Hautzustände, aber auch für Anti-Aging-Treatments und Kombinationen mit klassischen Facials, Mikrodermabrasion, Microneedling oder mechanischen Peelings. Darüber hinaus unterstützt das Unternehmen die Institute auch mit Beispielen für die Preiskalkulation, die nicht nur Aspekte wie Klientel und Standort berücksichtigen, sondern auch Richtwerte für Kombinationen und Kuren liefern. Die Kosmetikerin Dunja Ringma bietet in ihrem Institut Kalt-Plasma- Behandlungen mit dem Gerät von PlasmaCos an und gibt ihren Kolleginnen Tipps für dessen Anwendung. Vor der Behandlung muss das Gesicht sorgfältig gereinigt und von sämtlichen Creme- oder Makeup- Resten befreit werden. Nach der Inbetriebnahme des Gerätes wird für 90 Sekunden Plasma erzeugt. Der Elektrodenkopf wird während dieser Zeit sanft über das zu behandelnde Hautareal geführt. Wichtig ist dabei, dass er nicht auf die Haut aufgedrückt wird, denn sonst kann kein Plasma erzeugt werden. Der Behandlungskopf sollte diese lediglich leicht berühren. Bei der Entladung des kalten Plasmas entstehen UVA- und UVB-Licht sowie Ozon. Dessen Konzentration ist allerdings sehr gering, sie liegt unterhalb der erlaubten Höchstwerte und ist für den Menschen unschädlich. Vor einer Kalt-Plasma-Behandlung sollten mögliche Kontraindikationen im Beratungsgespräch unbedingt abgeklärt werden. Diese ist nicht geeignet für Personen
- mit Herzschrittmachern, Defibrillatoren oder elektrisch leitenden Implantaten,
- mit Herzrhythmusstörungen,
- die in den vergangenen sechs Monaten einen Herzinfarkt erlitten haben,
- mit schwerer Herzinsuffizienz,
- die unter epileptischen Anfällen leiden
- und Schwangere.
Text: Dr. Anja Rieck
Fotos: stock.adobe.com (1), Dunja Ringma (1)