Eintauchen, Ruhe finden
Ein neuer Wellness-Trend aus Fernost ist nun auch bei uns angekommen: Onsen, das japanische Bade-Ritual. Im Mittelpunkt steht dabei neben der Reinigung des Körpers eine tiefe Entspannung für den Geist – verbunden mit einer Naturerfahrung.
Wer in Japan war und kein Onsen besucht hat, kennt das Land nicht. Nicht nur der langjährige Japan-Korrespondent Klaus Scherer schwärmt vom traditionellen japanischen Bade-Ritual. Einige europäische Spa- und Wellness-Anlagen brachten – mit Adaptionen – die Kunst des Onsen-Badens nach Mitteleuropa. In Hotels und Sauna-Anlagen laden mancherorts «japanisch inspirierte Onsen-Becken» zur Entspannung ein.
Doch hinter dem Wasser-Ritual aus Fernost steckt viel mehr als ein Liegebad in einem flachen Becken mit heissem Wasser: Etwa im sechsten Jahrhundert spielte Wasser durch das Wachsen des Buddhismus als Zeichen der Reinigung eine grössere Rolle. So wurden zusammen mit Tempeln gleichzeitig Bäder gebaut. Diese waren teilweise grössere Wannen, zum Teil gab es sogar Kräutersaunen. Die Badehäuser standen der Bevölkerung offen und wurden gerne genutzt. Heute dienen Onsen-Bäder vorrangig der Entspannung. Die intensive körperliche Reinigung vorab gehört fest zum Ritual der japanischen Badekunst.
Ein Bad ist ein Bad ist ein ...
Neben den Onsen überraschen in Japan weitere Begriffe mit ähnlichem Angebot:
- Ein Sento ist ebenfalls ein öffentliches Badehaus mit heissem Wasser, jedoch mit normalem (Leitungs-)Wasser gespeist und oft in Innenstädten gelegen.
- Im Onsen stammt das Wasser aus einer natürlichen heissen Quelle und enthält Mineralien. Beim originalen Onsen müssen mindestens 19 Mineralien und Spurenelemente im Wasser vorhanden sein. Diese sorgen oft für eine Trübung, sodass nach dem Beckenbesuch ein zusätzliches Abspülen empfehlenswert ist. Die Quelltemperatur muss mindestens 25 Grad betragen. Die tatsächliche Temperatur der Bäder liegt jedoch zwischen 41 und 42 °C. Bei dieser hohen Temperatur wird etwa 15 Minuten im Wasser entspannt.
- Auch ein Bade-Mix ist oft zu finden. So gibt es Badehäuser, die Becken mit natürlichem Quellwasser sowie mit Leitungswasser besitzen. Wenn das Wasser aus einer Quelle stammt, sind die Mineralien neben dem Becken in einem Aushang aufgeführt.
- Ein Rotenburo ist ein Onsen-Bad unter freiem Himmel, meist mit wunderschönem Ausblick in die Natur. Hier können sowohl grössere Becken als auch kleine Wannen für ein oder zwei Personen zur Verfügung stehen.
- Notenburo als Unterkategorie bietet Entspannung in einem ohne menschliche Hilfe entstandenen heissen Wasserbecken in der freien Natur mit faszinierendem Ausblick.
«Der bedeutendste Punkt eines Onsen-Rituals ist meiner Meinung nach die Reinigung», so Kersti Olophsdotter vom Yasuragi-Spa in Stockholm. «Auf einem Holzschemel sitzend wird aus einem typischen Holzeimer heisses Wasser über den Körper gegossen. Während des Waschens startet der Erholungsprozess.»
Ritual für Körper und Seele
«In Japan wird gesagt, dass der erste Schritt die Reinigung des Körpers ist, während der nächste Schritt beim Aufenthalt in der heissen Quelle die Seele reinigt.»
- Stehduschen gibt es im Onsen selten. Stattdessen wartet der kleine Holzhocker namens furo iso.
- Das Übergiessen vom Kopf an kann aus dem mit warmem Wasser gefüllten Holzkübel oke erfolgen und weist durchaus Parallelen zum Hamam auf. Wasser muss fliessen, um rein zu werden. Die Sitz-Dusche ist eine weitere typische Alternative.
- Wer mit der körperlichen Reinigung fertig ist, reinigt den Hocker und kippt ihn um. So wissen andere Gäste, dass dieser Sitz frei ist.
- Das Tenugui – ein kompressenähnliches kleines Handtuch – wird bei der vorherigen Reinigung zum Einseifen benutzt. Es dient beim Gang ins Wasserbecken zum Sichtschutz der Genitalien und wird im Bad oftmals gefaltet auf den Kopf gelegt. Wem das zu anstrengend ist: eine trockene Stelle am Beckenrand kann ebenfalls zum Ablegen dienen. Keinesfalls aber sollte das kleine Tuch im Wasser landen.
Ein Hauch von Paradies
«Die europäische Kultur ist eine des Abwaschens, die japanische eine des Eintauchens. Geschrubbt wird vor dem Bad, schon Japans Göttersagen sind reich an rituellen Badeszenen – Erquickung und Heilung gehören zusammen, sind eine Erinnerung an das Paradies», so Korbinian Kohler. Den Hotelier vom Bachmair Weissach Spa & Resort begeisterte die japanische Badekultur so, dass er sie in seinem Mizu Onsen Spa adaptierte.
Japanisch geniessen in Europa
«Unser Spa ist auf das Wesentliche reduziert. Alles konzentriert sich auf die reinigenden Kräfte des Wassers, frei von überflüssiger Ablenkung. Das Eintauchen ins kraftspendende Wasser bedeutet nicht nur körperliche Erholung durch das mineralienreiche Wasser. Ebenso wichtig ist die beruhigende Wirkung auf den Menschen. Ergänzt wird die Entspannung in der japanischen hohen Schule der Badzeremonie durch Ruhe für den Geist, Stille für die Ohren und den erholsamen Blick auf die Natur.»
Der Mizu Izu Onsen Spa am Tegernsee verbindet das Bad im 42 °C heissen Becken mit Abkühlung in zwei Kaltwasserbecken (2 °C und 10 °C), einem vorbereitenden Salzpeeling im milden Dampfraum und ein Sole-Aussenbad. Beim Rauschen des Mühlbachs liefern die Alpen eine naturverbindende Kulisse. Die Nutzung ist dabei ganz individuell und je nach persönlicher Konstitution, eine Anleitung wird beim Onsen-Bad gegeben.
In Klais bei Garmisch-Partenkirchen lädt «Das Kranzbach» mit einem japanischen Heisswasserpool im Freien zum ganzjährigen Entspannen mit idyllischem Alpenpanorama ein. Der etwa 40 °C warme Onsen wird mit natürlichem Bergquellwasser gespeist, das ohne jede Aufbereitung auch die Anforderungen an Trinkwasser erfüllt. Pro Liter enthält das Kranzbach-Quellwasser etwa 330 Milligramm an gelösten Mineralien wie Calcium- und Magnesiumcarbonat. Neben der inneren Ruhe und dem Stressabbau, die ein Onsen-Bad in Einklang mit der Natur bringt, wirkt sich durch den hohen Mineralienanteil das Bad positiv über die Haut auf Muskeln, Knochen und Nerven aus.
Am Bodensee im Bora-HotSpaResort ermöglicht ein japanisches Onsen-Becken mit 38–40 °C Wassertemperatur und Felssteinen ein «Abspülen» des Alltags. Auch das Kölner Neptunbad und das Berliner Liquidrom liessen sich von japanischen Bädern inspirieren. Beim komplexen Wasser-Ritual aus Fernost gibt es Parallelen zu entspannenden Rahmenbedingungen in mitteleuropäischer Natur und Kultur: «Auch das Tegernseer Tal verfügt über einen Reichtum an Wasser wie Heilwasser, Quellwasser oder Jod-Schwefelwasser sowie eine lange Tradition, dieses zum Wohle der Menschen zu nutzen. Den Bogen zwischen den Kulturen zu schlagen, das Fremde mit dem Eigenen zu bereichern, aber es in seiner Essenz zu lassen, ist die Kunst moderner Gastlichkeit. Diese findet sich so schlicht wie schön bei uns», so Korbinian Kohler vom Bachmair Weissach am Tegernsee.
Auch in Schweden beliebt
Der hohe europäische Norden setzt schon länger auf das japanische Baderitual. Bei Stockholm bietet das Yasuragi Spa als Hotspot der Hauptstadtgesellschaft ein stilechtes Onsen- Badevergnügen.
Die Reinigung erfolgt in einem dunklen, schlichten Innenraum. Die ebenfalls dunklen Innenbecken laden zur ausgleichenden Reise ein. Aussen warten tempelartig überdachte Becken mit faszinierendem Blick auf Wald und Wasser. Schon die Torbögen des Eingangsbereiches versetzen nach Japan. Zudem erhält jeder Gast für den Spa-Aufenthalt die typische Kleidung; eine gruppenweise Einführung in die hohe Kunst des Onsen-Badens ist ebenfalls regelmässig möglich.
Etwas südlicher im «Saltsjöbad» im schwedischen Ystad lädt ein fantasie- und stilvoll dekorierter Onsen zum Entspannen ein, während in heissen Aussenbecken sitzend der Ausblick auf die Ostsee genossen werden kann. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, wann weitere Spas dieser Wasser-Tradition aus Japan folgen.
Mineralisch, heiss und herrlich!
Onsen bedeutet auf Japanisch «heisse Quelle ». Es steht für ein Thermalbad oder für einen Ort mit Hotels, deren Bad durch eine heisse Quelle gespeist wird.
Ein Onsen-Becken ist flach und zum Schwimmen nicht geeignet. Im Sitzen oder schwebenden Liegen kann entspannt und aus dem Wasser heraus ein schlichter dunkler Raum oder die naheliegende Natur genossen werden. Onsen-Baden besteht aus einem Ritual, das vor dem Besinnen auf die eigene Mitte im heissen Wasser eine bestimmte Vorbereitung erfordert. In den originalen japanischen Badehäusern herrscht dabei noch Geschlechtertrennung, zumal das Bad ohne Bekleidung genossen wird. Der Eingang für Männer ist in Japan mit einem blauen Symbol gekennzeichnet, für Frauen in rosa oder rot. Onsen in Europa sind meist gemischt zu geniessen.
Cornelia Klammt war als Redakteurin und Autorin für ARD, ZDF und RTL tätig, bevor sie Kosmetik, Massagen und Spa-Management lernte und in verschiedenen Spas arbeitete. Heute unterstützt sie Wellness-Anbieter und Kosmetikunternehmen bei der Öffentlichkeitsarbeit.
Kontakt: www.corneliaklammt.de
Text: Cornelia Klammt
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