Konsequent reduziert
Clean Beauty – das reine Vergnügen
Der Begriff „Clean Beauty” boomt – und ein Ende ist nicht in Sicht. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung und worin besteht der Unterschied zur Naturkosmetik? Das erklärt unsere Autorin Britta John.
Entstanden ist der Hype um „Clean Beauty“ aus der Health- und Wellness-Bewegung in den USA. Inzwischen hinterfragen kritische Verbraucher aber auch in anderen Ländern, wie sie leben, womit sie ihren Körper ernähren und welche Auswirkungen dies auf die Umwelt hat. Dadurch wächst zeitgleich das Bewusstsein, dass auch die Haut ein Organ ist, das mit Achtsamkeit behandelt werden sollte. Und so wird eben auch kritischer entschieden, welche Inhaltsstoffe in Kosmetika enthalten sein dürfen. Begünstigt wurde der „Clean Beauty“-Trend zudem durch das wachsende Bedürfnis nach mehr Transparenz bei Pflegeprodukten. Ein Wegbereiter war deshalb auch die lasche Gesetzgebung zu kosmetischen Inhaltsstoffen in den USA, die weit entfernt von europäischen Standards ist.
Wichtig ist, was nicht drin ist
Wer nach einer Definition für „Clean Beauty“ sucht, wird schnell feststellen, dass dies eigentlich eine reine Interpretationsfrage ist. Als simple Form der Übersetzung könnte etwa „frei von umstrittenen Inhaltsstoffen“ gelten. Doch im Fokus steht neben dem minimalistischen Ansatz „Weniger ist mehr!“ allerdings auch die subjektive Überzeugung, dass Kosmetik keine überf lüssigen oder hautreizenden Substanzen enthalten darf. Vereinfachte Rezepturen und die Reduktion auf das Wesentliche prägen die Kategorie der „Clean Beauty“-Produkte. Weitere Schlagwörter sind daher „unbedenklich“, „unschädlich“ sowie „sicher für die Haut“. Auf den diversen Listen unerwünschter Inhaltsstoffe finden sich auch solche, die zwar für den Menschen ungefährlich, aber problematisch für die Umwelt sind und z. B. zur Verunreinigung von Gewässern beitragen. Diese Anforderung an Rezepturen stellt vor allem die „Generation Sustainability“, für die neben Gesundheit und Wellness auch Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle spielt. Marken und ihr Agieren werden somit auch unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit kritischer betrachtet – das Clean Beauty-Konzept muss rundum stimmig sein.
Nicht eindeutig definiert
Eine einheitliche Regelung oder Definition von „Clean Beauty“ fehlt bislang. Man fühlt sich ein wenig an die Anfänge der Naturkosmetik und das bis dato häufig betriebene Greenwashing erinnert. Doch kommt nach dem Greenwashing nun das Cleanwashing? Was „Clean Beauty“ genau bedeutet, ist in der Tat eher diffus. Jeder kann im Prinzip selbst entscheiden, auf welche Inhaltsstoffe er gerne verzichten möchte. Dabei konzentriert man sich zumeist auf eine Flut von in die Kritik geratenen Inhaltsstoffen wie Formaldehyd, Petrolatum und Paraffine, Phthalate, Sulfate, Silikone, Toluol, Triclosan, EDTA-Chelatbildner, Mikroplastik oder synthetische Lichtschutzfilter. Immer wieder taucht bei Erklärungsversuchen aber auch der Hinweis „keine Tierversuche“ auf. In der Europäischen Union sind Tierversuche für kosmetische Inhaltsstoffe seit 2009 verboten, 2011 trat das Verkaufsverbot für an Tieren getestete Kosmetika in Kraft. Der Wunsch nach „Cruelty free“-Produkten spielt häufig eine Rolle, denn Inhaltsstoffe, für die ein Tier leiden musste, sind unerwünscht. Deswegen bevorzugen Clean Beauty-Verwender auch vegane Formulierungen. Doch was unterscheidet „Clean Beauty“ von Naturkosmetik? Letztere verzichtet grundsätzlich auf umstrittene synthetische Inhaltsstoffe wie z. B. Stoffe auf Erdölbasis, Silikone, PEG und synthetische Lichtschutzfilter. Doch angesichts dieser Vorgaben soll Natur und Biokosmetik nicht clean sein? Das hängt in der Tat von der individuellen Auslegung des Begriffs „Clean Beauty“ ab, denn manche Anhänger dieses Trends stufen sogar bestimmte Naturstoffe als toxisch ein oder führen z. B. auf, dass die in der Naturkosmetik verwendeten ätherischen Öle durchaus das Potenzial haben, die Haut zu reizen.
Hauptsache unbedenklich
Während zertifizierte Naturkosmetik nach bestimmten Standards formuliert ist, fehlen weitgehende Regelungen für „Clean Beauty“, die durchaus „grün“ sein kann. Doch der Trend konzentriert sich nicht auf die natürliche Herkunft der verwendeten Inhaltsstoffe, denn „saubere“ Produkte können durchaus synthetisch hergestellte Substanzen enthalten. „Clean Beauty“ ist deshalb nicht grundsätzlich gleichzusetzen mit natürlichen, veganen oder synthetisch hergestellten Inhaltsstoffen. Vielmehr sind bedenkliche Inhaltsstoffe generell unzulässig. Unter dem Strich geht es bei „Clean Beauty“ vor allem um eines: die Transparenz der Inhaltsstoffe. Sie soll es den Verbrauchern ermöglichen nachzuvollziehen, was ein Produkt enthält, auch ohne die jeweilige INCI detailliert analysieren zu müssen. Basierend auf der persönlichen Präferenz sollen die Anwender so eine bewusste Kaufentscheidung treffen können – im Hinblick darauf, welche Inhaltsstoffe sie nicht verwenden wollen.
Auf einen Blick erkennbar
ICADA, der internationale Verband für präparative und apparative Kosmetik sowie Nahrungsergänzungsmittel, ist bekannt für seine Bio- und Naturkosmetik-Zertifizierung. Um Konsumenten die Entscheidung beim Kauf von Kosmetika zu erleichtern, hat der Verband nun einen Standard für das Qualitätszeichen „clean“ definiert. Produkte mit diesem Label sollen „unschädlich“ und deren Verwendung „unbedenklich“ sein. „ICADA clean“ steht hierbei für die bewusste Vermeidung von bestimmten Substanzen, die von der Organisation auf einer eigenen Blacklist zusammengefasst wurden. Diese „schwarze Liste“ führt kritisch diskutierte Stoffe auf und soll regelmässig auf den neuesten Stand gebracht werden. Marken, die für ihre Produkte das „ICADA-clean“-Label verwenden wollen, müssen nachweisen, dass diese keinen der auf der Blacklist genannten Inhaltsstoffe enthalten. Weitere Informationen finden sich auf www.zertifizierte-naturkosmetik.eu/ clean-beauty-label-standard
Weniger ist mehr
Barbara Hoflacher setzt auf „Zero Waste“ und Minimalismus. Sie bevorzugt regionale „Pflegebomben“, denn einheimische Blüten, Kräuter und Wurzeln eignen sich sehr gut für die Haut- und Haarpflege. In ihrem liebevoll gestalteten und klimapositiv produzierten Ratgeber informiert sie die Leser nicht nur über diese gesunden Beauty-Helfer, sondern u. a. auch über pflanzliche und ätherische Öle. Darüber hinaus hat sie einige DIY-Rezepte zusammengestellt, für die nur wenige Zutaten benötigt werden und die einfach herzustellen sind. Beigefügt ist zudem ein kleines Booklet, in dem der puristische „Selbermixer“ dann seine eigenen Lieblingsrezepte notieren kann.
Edition Löwenzahn, CHF 29.90
Autorin:
Britta John ist freie Autorin und Beauty-Journalistin. Die langjährige Autorin von KOSMETIK international berichtet über Kosmetik, Düfte und Mode – insbesondere im Frühjahr und Herbst in den grossen Trendausgaben der Fach- und auch der Endverbraucherpresse.
KONTAKT:
britta@bfbeauty.de
Text: Britta John
Bilder: stock.adobe.com (2), Edition Löwenzahl (1), Britta John (1)