Gut für Haut und Meer
Bis zu 14 000 Tonnen Sonnenschutzmittel gelangen jedes Jahr in die Gewässer. Was unsere Haut vor der UV-Strahlung bewahrt, wird zunehmend zur Umweltbedrohung.
Bei der Verwendung von Sonnenschutz stand in der Vergangenheit vor allem der Schutz der Haut im Vordergrund. Kein Sonnenanbeter hat sich darüber Gedanken gemacht, welche Auswirkungen die Inhaltsstoffe dieser Produkte auf die Umwelt und speziell auf die Ozeane haben könnten. Doch mit den zunehmend kritischen Blicken auf den Klimawandel, die Verschmutzung der Meere und die Auswirkungen auf deren empfindliche Öko-Systeme sind auch bestimmte Lichtschutzfilter ins Visier der Umweltschützer und Wissenschaftler geraten.
Zahlreiche schädliche Wirkungen
Inzwischen ist bekannt, dass bestimmte Inhaltsstoffe von Sonnenschutzprodukten das sensible Öko-System der Meere und seine Bewohner schädigen. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem das Korallensterben. Die negativen Folgen, die diese synthetischen Substanzen auslösen, sind immens und weitreichend: Sie führen u. a. zur Korallenbleiche, die langfristige Schäden verursacht und zum Absterben gesamter Riffe führen kann. Zwar gelten UV-Schutzprodukte nicht als Hauptverursacher der Korallenbleiche, doch können sie entscheidend zu diesem Vorgang beitragen. Auch andere marine Lebewesen werden durch die Substanzen beeinträchtigt: Sie wachsen z. B. langsamer, ihre Fortpflanzungsfähigkeit ist vermindert, es kommt zu Deformationen bei den Nachkommen und die Photosynthese ist reduziert. Vor allem Oxybenzon, Octinoxat und Benzophenon stehen ganz oben auf der Liste der Wirkstoffe, die als Riff-schädigend eingestuft werden. Diese chemischen UV-Filter gehören weltweit zu den am häufigsten eingesetzten Lichtschutzsubstanzen. Ein Beispiel: Bereits geringe Konzentrationen von Benzophenone-2 sollen tödlich für junge Korallen sein und können zur Korallenbleiche führen. Seit den 1960er Jahren wird die Substanz in vielen Kosmetikprodukten eingesetzt. Über die Abwassersysteme geraten Rückstände dann über Umwege auch in die Weltmeere. Und: Messungen an viel besuchten Badestellen haben ergeben, dass sich die Substanzen nicht gleichmässig verteilen, sondern in hohen Konzentrationen im Wasser auftreten.
Diese Ansammlungen der schädlichen Stoffe können wiederum grosse Strecken in den Gewässern zurücklegen. Auch chemische Lichtschutzfilter wie u. a. Octocrylene, Homosalate, Octisalate und Methoxycinnamat können Schäden verursachen. So liess sich beispielsweise Octocrylene in verschiedenen Fischarten weltweit nachweisen.
Ein nachhaltiges Problem
Von Forschern und Umweltschützern kritisch untersucht werden auch weitere Stoffe wie z. B. Parabene oder das mineralische Öl Petrolatum, das ebenfalls Meeresorganismen schädigt und Jahre braucht, bis es abgebaut ist. Die biologische Abbaubarkeit verschiedenster Substanzen steht zunehmend im Fokus. Doch auch physikalische Lichtschutzfilter – wie sie traditionell in der Naturkosmetik verwendet werden – sind kritisch zu betrachten. Mineralische UV-Filter wie Zinkoxid und Titandioxid gelten weitgehend als Riff-sicher – vorausgesetzt, sie liegen nicht in Nano-Form vor. Denn Nanopartikel werden erwiesenermassen von Korallen aufgenommen.
Je grösser, desto besser
Nach dem jetzigen Stand der Kenntnis gelten Partikel als unschädlich, die grösser als 100 Nanometer sind. Sie können von den Korallen nicht aufgenommen werden. Eine 2018 veröffentlichte US-amerikanische Studie hat sich wiederum in Laborversuchen mit der Schädlichkeit dieser beiden Stoffe befasst. Das Ergebnis: Unbeschichtete Zinkoxid-Nanopartikel führen zu einer schnellen und schweren Korallenbleiche, da sie empfindliche Symbiosen stören, aber auch die mikrobielle Konzentration in der unmittelbaren Umgebung der Korallenriffe erhöhen. Zwei bekannte Formen modifizierten Titandioxids wiederum führten zu lediglich minimalen Veränderungen. Titandioxid, so führt allerdings auch der US-Bundesstaat Hawaii an, ist nicht biologisch abbaubar und reagiert in wärmeren Gewässern zu schädlichem Wasserstoffperoxid.
Indessen wächst das Bewusstsein, wie schädlich vor allem chemische Lichtschutzfilter für das marine Öko-System und seine Bewohner sein können. Nicht nur Hawaii hat inzwischen bestimmte Substanzen als Inhaltsstoff in Sonnenschutzprodukten ab 2021 untersagt – dies betrifft letztendlich jedoch nur den Verkauf entsprechender Produkte auf Hawaii, die diese Substanzen enthalten. Auch Key West im US-Bundesstaat Florida und der Pazifikstaat Palau sowie Bonaire in der Karibik wollen die Riff-schädigenden Inhaltsstoffe verbannen. Beliebte Urlaubsziele in Mexiko fordern mittlerweile dazu auf, auf die Verwendung derartiger UV-Schutzmittel zu verzichten.
Sicher geschützt mit gutem Gewissen
Konsequent wäre es, auf Sonnenschutzprodukte mit umweltschädlichen Inhaltsstoffen zu verzichten. Formulierungen ohne kritische Lichtschutzfilter bieten der Kosmetikindustrie eine neue Möglichkeit, Produkte auszuloben. Riff-sichere Sonnenschutzcremes – korallenfreundlich, reef-safe oder auch reef-friendly bzw. ocean-friendly sun-screens – könnten in Zukunft die Kaufentscheidung der Konsumenten massgeblich beeinflussen. Denn besonders umweltbewusste Kunden und Kundinnen werden – ökologisch korrekt – verstärkt auf das Label «Riff-sicher» achten. Diese Auslobung (reef-safe) ist jedoch bislang an keine Zertifizierung gebunden und auch in keinem Land gesetzlich verankert. Vielfach wird sie von Konsumenten aber gleichgesetzt mit «frei von schädlichen, chemischen Lichtschutzfiltern».
Cremen ist besser als sprühen
Wer die Sonne gut geschützt geniessen, jedoch gleichzeitig der Umwelt nicht schaden möchte, sollte bewusst und sorgsam mit den entsprechenden Produkten umgehen. Bei der Verwendung von Sonnenschutzsprays erreicht z. B. ein Teil des Sprühnebels immer den Boden – diese Ablagerungen können in die Gewässer gespült werden. Eine Creme oder Lotion gerät dagegen nur dorthin, wo sie hin soll: auf die Haut. Generell wird empfohlen, sich auch durch das Tragen von Textilien vor der Sonne zu schützen: Je mehr Kleidung getragen wird, desto geringere Mengen an UV-Schutzpräparaten werden benötigt und gelangen letztendlich ins Wasser. Wer auch dort vor der UV-Strahlung geschützt sein will, sollte auf eine hohe Wasserbeständigkeit des Produkts achten. Je wasserfester dieses ist, desto weniger wird davon von der Haut gespült.
Autorin
Britta John ist freie Autorin und Beauty-Journalistin. Die langjährige Autorin von KOSMETIK international berichtet über Kosmetik, Düfte und Mode – insbesondere im Frühjahr und Herbst in den grossen Trendausgaben der Fach- und auch der Endverbraucherpresse.
britta@bfbeauty.de
Text: Britta John
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