FACE & BODY

Stärken in Zeiten der Schwäche

Haut- und Körperpflege bei Brustkrebs-Patientinnen

Veröffentlicht am 03.12.2020

Wenn eine Kundin während einer Krebstherapie zur Kosmetikerin geht, dann braucht sie besondere Achtsamkeit. Es ist gut, wenn Sie auf bestimmte Fragen eingestellt sind, sie kompetent beantworten können – und entsprechend behandeln.

 

Die Diagnose Brustkrebs stellt jede Frau vor grosse Herausforderungen in ihrem Leben. An Haut- und Körperpflege denken die meisten dabei nicht. Erstmal. Doch nach OP, während der Chemo und Bestrahlung und auch nach der Primärtherapie wird das Thema immer wichtiger. Nichts ist mehr, wie es war: unendlich viele Informationen, Sorgen, Ängste und Nöte schwirren durch den Kopf. Sie als Kosmetikerin können Ihren Kundinnen von Anfang an dazu ein paar wertvolle Tipps mit auf den Behandlungsweg geben. Die gute Nachricht: Rund 80 Prozent der diagnostizierten Fälle sind heilbar. Denn zum Thema Brustkrebs (Mammakarzinom) wird international rege geforscht.

 

Abtasten gut fürs Körpergefühl

Wenn mögliche Heilungschancen herabgesetzt sind, kann die Palliativmedizin (ganzheitliche Behandlung bei fortschreitendem Verlauf und begrenzter Lebenserwartung) gute Dienste leisten. Fragt man Brustkrebs-Patientinnen, hört man immer wieder, dass der Tumor von ihnen selbst ertastet wurde. Erfahrungsgemäss entdecken Frauen einen Tumor, wenn er eine Grösse von etwa anderthalb bis zwei Zentimeter hat. Es lohnt sich, die Brust einmal monatlich im Liegen ganz genau abzutasten. Hilfreich ist das tägliche Eincremen von Brust und Dekolleté, um herauszufinden, wie sich die Brust anfühlt. So gibt es Unterschiede während der monatlichen Blutung und auch mit Beginn der Wechseljahre. Bei einer unbekannten Veränderung sollte der Frauenarzt zu Rate gezogen werden.

Steht die Diagnose, zeigt der Behandlungsplan, was auf die Frau zukommt. Operation, Chemotherapie, Bestrahlung und eine anschliessende, mehrjährige Anti-Hormontherapie sind die üblichen Wege. Bei Brustkrebs bedingten Chemotherapien mit Zytostatika (Medikamente, die bei der Chemo zum Einsatz kommen) fallen oft spätestens ab der dritten oder vierten Session die Kopfhaare und teilweise sämtliche Körperhaare wie Brauen und auch Wimpern aus. Es empfiehlt sich, sich vorher mit dem Thema Perücke und Kopftuch zu beschäftigen. Gut sitzende, passende Perücken aus Echt- oder Kunsthaar können in dieser Zeit helfen. Und eine gute Nachricht zum Thema Haarverlust: Sobald die Chemotherapie beendet ist, beginnen Haare schon wieder zu wachsen. Rund drei Monate nach der letzten Sitzung sind Kopfhaare häufig bereits wieder so lang, dass die Perücke ausgedient hat. Während der haarlosen Zeit besteht die Möglichkeit, über bestimmte Schminktechniken den Verlust von Brauen und Wimpern optisch zu kaschieren. Dazu bietet z. B. Look Good Feel Better (www.lgfb.ch) Make-up-Kurse, in denen Kosmetikerinnen sämtliche Dinge rund ums Thema mit den Frauen üben. Oft denken Brustkrebs-Patientinnen auch an Permanent Make-up. Doch das sollte erst überlegt werden, wenn eine Krebstherapie vollständig beendet ist. Auch die Rücksprache mit dem Onko- oder Gynäkologen ist hier vorab sinnvoll.

 

Therapiefolgen bewältigen

Immer wieder geistert auch das Thema Kältehaube zum Schutz vor Haarausfall durch die Medien. Dazu gibt es aktuell noch keine zufriedenstellenden Studienergebnisse. Allerdings scheint es so zu sein, dass sie den Verlust der Haare nicht in jedem Fall verhindert. Das soll auch von den Medikamenten der Therapie abhängen bzw. den genauen Wirkstoffen. Einen Versuch kann es jedoch durchaus wert sein.

Eine weitere Veränderung in dieser Behandlungsphase betrifft Hände, Füsse sowie Finger- und Zehennägel. Es kann zu Empfindungsstörungen (Polyneuropathien) an Händen und Füssen kommen. Auch hier können Anwendungen mit Kälte (wie Kältehandschuhe) helfen, das Ausmass erträglich zu halten. Wer Probleme damit hat, sollte spätestens nach der Primärtherapie mit einem gezielten Training zur Stärkung der Nervenzellen an Händen und Füssen beginnen. Dazu bieten sich z. B. Greifübungen in trockene Linsen, Murmeln oder Gummibälle an. Besteht die Chemotherapie u. a. aus Taxan, hat sich das Lackieren der Zehen und Fingernägel mit dunklem (wichtig!) Nagellack bewährt. Er kann dazu beitragen, dass diese weder an den Händen noch an Füssen ausfallen. Meist ist jetzt auch die Nagelhaut sehr trocken und rissig. Empfehlenswert ist es, alle Nägel täglich mit Nagelöl oder einer Nagelcreme zu versorgen.

Chemotherapien sind eine extreme Belastung für den gesamten Körper. Deshalb können Allergien beziehungsweise die verstärkte Neigung zu allergischen Hautreaktionen auftreten. Typisch sind auch Akne-ähnliche Pusteln sowie trockene, schuppende und juckende Haut. Oft zeigen sich Rötungen oder Pigmentflecken. Diese Anzeichen verschwinden in der Regel nach Ende der Therapie.

 

Geeignete Pflegeprodukte

Währenddessen kann es hilfreich sein, auf Pflegeprodukte für sensible Haut, ohne Parfum und Duftstoffe, umzusteigen. Naturkosmetik ist jetzt nicht zwingend die beste Wahl. Denn ätherische Öle und Pflanzenextrakte können, je nach Hautzustand, jetzt mehr reizen als nutzen. Um die Haut nicht zu sehr zu stressen, empfiehlt es sich, sie weder mit zu kaltem noch zu heissem Wasser zu waschen. Beim Abtrocknen am besten sanft abtupfen und nicht mit einem rauen Handtuch abreiben. Nicht zu empfehlen sind während dieser Zeit Peelings, Haarentfernung mittels Wachsen, Epilieren etc. Um eine mögliche Keimbelastung so gering wie möglich zu halten, können zur täglichen Reinigung Einmalwaschlappen gute Dienste leisten. Während der Chemo ist hyposensible Haut- und Körperpflege eine gute Entscheidung.

 

Was nicht zu empfehlen ist

Beim Thema Brustkrebs wird generell das Thema Parabene immer wieder kontrovers diskutiert. Die Konservierungsstoffe Parabene (Methyl- Ethyl-, Propylund Butylparaben) werden in einer Fülle von Gesichts-, Haar- und Körperpflegeprodukten eingesetzt. Einer Studie zufolge (Pan S, Yuan C, Tagmount A u. a.: Parabens and human epidermal growth factor receptor ligans cross-talk in breast cancer cells, Mai 2016), auf die sich die Selbsthilfegruppe „Mamazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs“ beruft, könnten sie in geringeren Mengen als bisher vermutet der Gesundheit mehr schaden als nutzen. Parabene werden darin als östrogenähnlich eingestuft, da sie den gleichen Östrogenrezeptor aktivieren sollen wie das natürliche Hormon Estradiol. Demnach löst die Verwendung von Parabenen in Körperpflegeprodukten die Sorge aus, dass sie einen Beitrag zum erhöhten Brustkrebsrisiko darstellen könnten. In der INCI-Deklaration stehen sie in der Regel weit hinten. Zertifizierter Naturkosmetik dürfen keine Parabene zugesetzt werden. Auf die meisten Frauen mit Brustkrebs wartet nach Chemotherapie und Operation die Bestrahlung des betroffenen Areals. Die Anzahl der Sitzungen kann von zehn aufeinander folgenden bis etwa 40 aufwärts gehen. Dabei dauert jede Einheit maximal lediglich zwei Minuten. Bestrahlungen werden, im Vergleich zu den Nebenwirkungen einer Chemotherapie, meistens gut vertragen. Um die Haut nicht unnötig zu belasten, sollten jetzt keine Johanniskrautprodukte zur inneren und äusseren Anwendung gewählt werden, denn Johanniskraut wirkt phototoxisch.

 

Babypuder und Thermalwasser

Während des Bestrahlungszeitraums von durchschnittlich vier bis acht Wochen wird das zu bestrahlende Areal mit Textmarkern farbig bemalt. Diese Markierungen sind ungemein wichtig, um das Strahlengerät exakt an Ort und Stelle zu positionieren. Praktisch heisst das: Duschen wird eine knifflige Sache. Denn weder Wasser noch Fett dürfen auf die Markierungen. Sie werden zwar im Strahleninstitut regelmässig nachgezeichnet, doch durch ganz normales Schwitzen und Abrieb verblasst die Farbe mehr und mehr. Um die Haut möglichst trocken zu halten, empfiehlt sich insbesondere vor dem Schlafengehen, bei warmen Temperaturen oder sportlichen Aktivitäten der Einsatz von ölfreiem Babypuder. Der Puder lässt sich besonders leicht mit einer Babybürste auftragen. Nur was hilft in dieser Zeit, um das juckende Spannungsgefühl einigermassen in Schach zu halten? Eine Wohltat bieten parfumfreie Thermalwassersprays. Sie beruhigen gereizte und gerötete Haut und helfen gegen lästigen Spannungsjuckreiz. Dabei sind sie fettfrei, trocknen blitzschnell und die Markierungen auf der Haut bleiben erhalten. Wird es im Kühlschrank gelagert, ist die kühlende, erfrischende Wirkung gleich doppelt hoch. Dank Mineralien wie Kalzium, Selen, Zink, Kupfer und Silikaten bietet Thermalwasser hilfreichen Schutz und Pflege während der Bestrahlung. Auch nach Ende der gesamten Krebstherapie kann Thermalwasserspray dauerhaft eingesetzt werden. Es versorgt die Haut mit Mineralien und kann sie vor allergischen Irritationen schützen.

 

Lichtschutz und Narbenpflege

Einen pflegenden Feuchtigkeitskick während der Strahlentherapie bietet reines Aloe vera-Gel. Das lässt sich am besten mit einem Wattestäbchen auf die betroffene Haut dünn auftragen, ohne dass Farbmarkierungen beeinträchtigt werden. Bevor Kleidung getragen wird, muss das Gel allerdings vollständig auf der Haut getrocknet sein. Durch die Einwirkung der Strahlen ist der Hautbereich sehr heiss. Nach Therapieende helfen Quarkwickel. Ebenso sinnvoll: Cool Packs. Allerdings muss darunter immer ein Tuch auf der Haut liegen, sonst kann es zu Verbrennungen kommen. Während der Strahlentherapie ist weite, lockere Kleidung – möglichst nicht aus Kunstfaser – besonders angenehm. So wird die bestrahlte Haut wenig gereizt und lästiger Juckreiz lässt sich vermindern. Weder Deo, alkoholhaltige Tinkturen oder Cremes sollten während der Strahlentherapie im betroffenen Bereich verwendet werden. Das kann ungewollt negative Hautreaktionen fördern. Was ab jetzt ein Thema sein wird, ist Lichtschutz: Durch eine Krebstherapie ist die Haut besonders lichtempfindlich und sollte stets mit einem Sonnenpflegeprodukt mit hohem Lichtschutzfaktor eingecremt werden, von Sonnenbädern ist abzuraten. Ist die Wunde gut verheilt, kann, nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, mit der Narbenpflege begonnen werden. Das ist sinnvoll, damit die Narbe nicht mit dem darunterliegenden Gewebe zusammenwächst. Spezielle Produkte, die frei von Mineralölen, Silikonen und Parabenen sind, bieten sich an. Am besten ein- bis zweimal täglich auf das vernarbte Areal auftragen und einmassieren. Geschlossene Narben können z. B. auch mit Arnika- oder Ringelblumensalbe gepflegt werden. Narben verändern sich meist nicht mehr nach zwei Jahren, deshalb hat sich diese Zeit zur Narbenpflege bewährt. Nach der Primärtherapie pendelt sich vieles wieder ein, Frau braucht Geduld.  

Daten und Fakten

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. In der Schweiz erkranken daran laut Bundesamt für Statistik jährlich etwa 6200 Frauen. 80 Prozent der betroffenen Frauen sind beim Zeitpunkt der Diagnose 50 Jahre alt oder älter. Eine frühzeitige Erkennung erhöht die Heilungschancen und ermöglicht eine schonendere Therapie.

80 Prozent der erkrankten Frauen sind 5 Jahre nach der Diagnose noch am Leben. Dabei gilt: Je früher der Krebs entdeckt wird, desto besser ist die Prognose. Was mögliche Ursachen betrifft, so spielt die genetische Veranlagung eine wichtige Rolle. Auch der Lebensstil kann die Entstehung begünstigen. Dazu gehören Übergewicht, regelmässiger Alkohol- und Zigarettenkonsum sowie Bewegungsmangel. Es lohnt sich also auch im Hinblick auf ein mögliches Brustkrebsrisiko bereits vor den Wechseljahren und auch danach auf Gewicht und Lebensstil zu achten. Ein weiterer Risikofaktor ist die Dichte des Brustgewebes. Je höher der Anteil an Drüsen- und Bindegewebe, desto dichter ist es. Je mehr Drüsengewebe vorhanden ist, desto mehr Zellen gibt es in der Brust, die entarten können. Erschwerend kommt hinzu, dass mögliche Krebsvorstufen oder gar Tumore bei einer Mammographie dann schwerer erkennbar sind. Ein Vorteil der Wechseljahre ist die Veränderung der Brustdichte: Sie nimmt mit zunehmendem Alter ab, was die Diagnose erleichtert.  

 

 

Autorin:

Kirsten Metternich ist seit vielen Jahren in den Bereichen Ernährung, Fitness und Wellness als Journalistin und Buchautorin tätig. Da rüber hinaus bietet sie Seminare rund um das Thema „Gesund essen und trinken“ an und arbeitet regelmässig für Fernsehsender.

KONTAKT:

info@metternich24.de

 

 

Text: Kirsten Metternich 

Fotos: stock.adobe.com

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