FACE & BODY

Medizin der Zukunft

Moderne Konzepte für die Gesundheitsversorgung

Veröffentlicht am 25.03.2021

Wie werden wir künftig therapiert, wenn wir krank sind? Mit moderner Technologie, hochentwickelten Medikamenten und Robotern? Oder mit ganzheitlichen Behandlungsmethoden, die den Menschen konsequent in den Mittelpunkt rücken?

 

Zunehmend besinnt man sich im westlichen Kulturkreis auf eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten – und auch auf Behandlungen, die westliche Schulmedizin und Pharmakologie mit östlichen Praktiken wie Yoga, Meditation oder Akupunktur kombinieren. Was lange Zeit abwertend in die «Hippie»-Ecke abgeschoben wurde, findet jetzt als integrative Medizin Anerkennung. Geprägt wurde dieser Begriff 2015 durch das National Center for Complementary and Integrative Health (NCCIH). Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät, bei bestimmten Krankheiten weniger Medikamente einzusetzen und verstärkt Übungen für Körper und Geist mit einzubeziehen. Als einen Grund für das wachsende Interesse und die steigende Anerkennung sehen Fachleute die Frustration vieler Patienten an, die sich von Medizinern nicht als Mensch, sondern nur als Symptom-Träger behandelt fühlen.

 

Das Bewusstsein wächst

Nun aber erkennen auch viele Ärzte die Grenzen der westlichen Medizin, die in erster Linie Symptome durch immer leistungsstärkere und teurere Medikamente lindert, ohne die Ursache zu bekämpfen. Es tut sich was im Gesundheitsbereich – und das nicht erst seit der Corona-Krise. Zu verdanken ist dies einer wachsenden Zahl von ganzheitlich orientierten Forschern, Ärzten und Therapeuten. Sie stützen sich auf wissenschaftliche Argumente, die sie aus fachübergreifenden Studien ableiten, die den therapeutischen Effekt von Hypnose, Yoga oder Meditation aufzeigen. So konnten Neurologen nachweisen, dass zwischen Körper und Geist ein ständiges Feedback existiert. Selbst vom lange als Einbildung abgetanen Placebo-Effekt weiss man mittlerweile, dass dieser eine komplexen biochemischen Effekt erzeugt und dadurch nachweislich zur Heilung beiträgt. Erstaunlich sind zudem die Forschungsergebnisse der sogenannten Epigenetik: Durch Praktiken wie Yoga, aber auch durch unseren Lebensstil und Umwelteinflüsse haben wir die Möglichkeit, unsere Gene zu verändern und diese Veränderung sogar im Erbgut an die nächste Generation weiterzugeben. Hierbei steht besonders die Ernährung im Mittelpunkt, denn sie beeinflusst ganz eindeutig unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Der Erfolg von Sachbüchern wie von Giulia Enders («Darm mit Charme») oder Emeran Mayer («Das zweite Gehirn») zeigt deutlich, dass z. B. immer mehr Menschen den Zusammenhang von Bauch und Kopf sowie Geist und Körper sehen.

 

Mehr Individualität

In der Medizin geht es nicht mehr nur um allgemeine Empfehlungen für die gesunde Küche, sondern um eine individuell an den einzelnen Menschen angepasste Ernährung, die physische und psychische Erkrankungen verhindern, lindern und letztlich auch heilen kann. Das dürfte u. a. auch ein Grund dafür sein, dass Spas und Kosmetikinstitute Ernährungsberatungen in ihr Programm integrieren. Neben der Ernährung stehen aber auch Entspannungs- und Konzentrationstechniken bei der integrativen, ganzheitlichen Medizin an oberster Stelle – wie z. B. das in Indien entstandene Yoga.

 

Dauerbrenner Yoga

Bei uns wird meist Hatha-Yoga praktiziert, eine Folge von Körperhaltungen (Asanas) und sanften Bewegungen, die mit Atemübungen (Pranayama) zur Stimulierung der inneren Organe und für ein besseres Körperbewusstsein kombiniert werden. Yoga fördert die Lebensenergie und Konzentration, hilft beim Abbau von Stress und Ängsten, verringert zudem den Cortisolspiegel und steigert die Produktion von Serotonin. Aus dem östlichen Kulturkreis stammt auch die Meditation. Meditieren bedeutet keineswegs, an nichts zu denken und den Kopf zu leeren. Es geht darum, die Aufmerksamkeit konzentriert auf einen Punkt bzw. den gegenwärtigen Moment zu lenken, um dadurch Gedanken und Emotionen zu beherrschen und sogar die neurologischen Verknüpfungen im Gehirn umzubilden. Studien zufolge kann durch regelmässige Meditation die Gehirnaktivität verändert und das Gehirn geschützt werden. Verbessert werden zudem Körperbewusstsein und Gedächtnisleistung. Ferner kann Meditation Schmerzen dauerhaft lindern und gegen Depressionen helfen – und zwar genauso wirkungsvoll wie ein Antidepressivum, jedoch ohne dessen Nebenwirkungen. Meditieren kann man im Sitzen, aber auch beim Gehen. Wichtig ist dabei vor allem eine tiefe, ruhige Atmung. Erlernen sollte man Meditation unbedingt unter Anleitung von Fachleuten. Die Hypnose geht auf Franz Anton Mesmer (1734-1815) zurück. Der Wiener Arzt ging davon aus, dass es eine Art magnetische Strömung zwischen den Lebewesen gibt. Während einer Sitzung «deaktiviert» der Therapeut für eine bestimmte Zeit die Selbstkontrolle seines Patienten. Das nutzen inzwischen auch Mediziner zur Unterstützung oder gar als Ersatz von lokaler Anästhesie, bei der Behandlung von Magenproblemen, chronischen Schmerzen und psychischen Erkrankungen. Besonders in der Schmerztherapie hat sich die Akupunktur aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) etabliert. Sie soll den vitalen Energiefluss (Qi) eines Patienten und dadurch dessen Gesundheit wiederherstellen. Dies geschieht durch das Setzen von feinen Nadeln auf definierten Punkten entlang der zwölf Körper-Meridiane. Die WHO empfiehlt Akupunktur bei Muskel-, Knochen- und Gelenkschmerzen sowie bei Migräne-Krisen. Kritiker hingegen bemängeln, dass die therapeutischen Erfolge teilweise auf einen Placebo-Effekt zurückgingen. Doch Akupunktur kann andere Therapien sinnvoll unterstützen und nicht selten die Medikamentendosis verringern. Zur integrativen Medizin zählt auch die Osteopathie, die durch den amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still begründet wurde. Durch Tasten, Druck, Dehnen und Drehen soll die physiologische Mobilität der verschiedenen Strukturen des Organismus (Muskeln, Knochen, Sehnen) wiederhergestellt werden. Als wirksam hat sich diese manuelle Therapie beim Abbau von Stress erwiesen, insbesondere bei der Bekämpfung von dessen Folgen auf das Verdauungssystem.

 

Stressabbau ist unerlässlich

Viele der alternativen Techniken helfen beim Abbau von Stress, dem Krankmacher Nummer eins. Er ist typisch für unsere moderne, schnelllebige Gesellschaft. Ob der durch die Corona-Pandemie erzwungene Stillstand unseren Lebensstil dauerhaft verändert, bleibt noch abzuwarten. Wissenschaftler, Ärzte und Therapeuten setzen grosse Hoffnungen in die integrative Medizin. Dennoch warnen sie davor, blind an traditionelle Heilmethoden zu glauben. Sie fordern umfassende, seriös durchgeführte Studien und klinische Versuche mit Kontrollgruppen. Die Medizin der Zukunft ist ohne fernöstliche Methoden nicht denkbar, diese Kombination dient dem Wohl des Patienten. Ein mehr auf die Vorsorge und das Wohlbefinden des Menschen ausgerichtetes Gesundheitssystem ist auf jeden Fall erstrebenswert. 

 

Lernfähig sein

Die integrative Medizin verändert das Verhältnis zwischen Arzt und Patient in ganz besonderer Weise, da letzterer für seine Gesundheit selbst aktiv werden muss – darauf weist der Biologe und Zukunftsforscher Joel de Rosney hin. In einem Interview mit dem französischen Wissenschaftsmagazin «Science & Vie» benannte der Forscher fünf Regeln, die jeder beachten sollte:

  • ausgewogene Ernährung,
  • regelmässige sportliche Betätigung von 20 bis 30 Minuten täglich – auch wenn es nur ein Spaziergang ist,
  • Stress-Bewältigung durch Yoga, Atemübungen und Meditation,
  • Lebensfreude und Harmonie im sozialen Umfeld (Familie, Beruf, Freunde), denn beides begünstigt die Freisetzung von Hormonen wie Endorphinen, Oxytocin und Dopamin, die z. B. im Körper ein Wohlgefühl erzeugen.

Der moderne Patient müsse diese Selbstmitverantwortung erst lernen – darauf weist Richard Davidson, Professor für Psychologie und Psychiatrie an der US-Universität Wisconsin-Madison hin. Und das geschehe «vor allem durch Übung, genau wie das Geigenspielen». Aus diesem Grund fordert der Wissenschaftler Kurse zum Erlernen dieser neuen Kompetenz und einen entsprechenden Unterricht möglichst schon im Kindesalter.

 

 

 

Autorin:

Beate Kuhn-Delestre hat Psycholinguistik und Soziologie studiert. Die freie Journalistin arbeitet für das Fernsehen, für Printmedien, Theaterproduktionen und hat sich auch als Autorin zahlreicher Doku-Filme einen Namen gemacht.

Kontakt:

beate.kuhn-delestre@orange.fr

 

 

 

Text: Beate Kuhn-Delestre

Fotos: stock.adobe.com (1), Beate Kuhn-Delestre (1)

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