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Silent Inflammation

Verborgene Entzündungen im Körper werden meist erst dann wahrgenommen, wenn sie bereits chronischen Charakter angenommen haben. Nicht selten sind sie Ursache für zahlreiche Zivilisationskrankheiten.

Veröffentlicht am 24.02.2022

Übergewicht, Stress, Schlaf- und Bewegungsmangel, Umweltfaktoren und vor allem ein entzündungsförderndes Ess- und Trinkverhalten können unterschwellige Entzündungsreaktionen im Körper auslösen. Diese als «Silent Inflammation» bezeichneten, zunächst oft nicht wahrnehmbaren Zustände können sich manifestieren und zu chronischen Entzündungen führen, die als Ursache zahlreicher Erkrankungen betrachtet werden.

Bei einer Entzündungsreaktion werden entzündungsfördernde Botenstoffe, die Zytokine, ausgeschüttet. Bei Übergewicht werden diese Botenstoffe vermehrt durch das Bauchfett ausgeschüttet. Im Darm erleichtern sie pathogenen Keimen, die Darmbarriere zu durchdringen. Es kommt zu Darmbeschwerden, einer erhöhten Infektanfälligkeit, Leistungsabfall und vermindertem Wohlbefinden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostiziert, dass in diesem Jahr etwa 75 Prozent aller Todesfälle in Zusammenhang mit chronischen Entzündungen stehen werden. Zivilisationskrankheiten wie Diabetes Typ2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten, aber auch Demenz, Allergien, Arthritis und chronische Darmentzündungen können die Folge chronischer Entzündungen sein. In einer aktuellen Beobachtungsstudie der Harvard School of Public Health in Boston (2020) konnte das Darmkrebsrisiko demzufolge durch eine entzündungsoptimierte Ernährung bei Männern um bis zu 44 Prozent und bei Frauen um bis zu 22 Prozent reduziert werden. Bei einer akuten Entzündung wird das Immunsystem hochreguliert, um die Ausbreitung von Erregern wie Bakterien und Viren oder Giftstoffen zu verhindern und Verletzungsschäden so schnell wie möglich zu reparieren. Sie ist eine normale, wichtige Abwehrreaktion des Körpers und notwendig für den weiteren Heilungsprozess.

 

Lokale Auswirkungen

Nach intensivem Sport kann es zu Entzündungsprozessen kommen. Der Körper reagiert auf beschädigte Muskelsubstanz z. B. beim Krafttraining oder Bergablaufen mit einer lokalen, akuten Entzündungsreaktion, aus der er gestärkt hervorgehen kann. Voraussetzung für diesen Trainingseffekt: Es liegen keine chronischen Entzündungsprozesse vor. Die chronische, oft subklinische Entzündung ist meist Folge einer reduzierten Immuntoleranz mit stetig aktiviertem Immunsystem. Es kommt auch zu Veränderungen im neuronalen und hormonalen System. Die Stressachse wird aktiviert. Dadurch steigt der Cortisolspiegel, während die Serotoninsynthese gehemmt wird. Vermehrter oxidativer Stress und Depressionen können die Folge sein.

 

Messbare Entzündungsmarker

Durch diese Überreaktionen des Körpers kann die Entzündung selbst mittel- bis langfristig zur Ursache von Krankheitssymptomen werden. Das Fatale ist, dass die messbaren Entzündungsmarker im Blut zunächst noch im oberen Normalbereich oder nur leicht darüber liegen können. Dennoch werden stetige Signalstoffe wie Interleukin und TNF-Alpha in kleinen Mengen ausgeschüttet. Daher wird dieser Zustand auch als unterschwellige oder stille (= silent) Inflammation (SI) bezeichnet. Neben Stressabbau sowie ausreichend und intensitätsangepasster Bewegung ist die Lebensmittelauswahl das entscheidende Kriterium, mit dem die Entstehung und das Fortschreiten der SI beeinflusst werden kann. Werden die beiden Faktoren a) Verzicht auf entzündungsfördernde Lebensmittelinhaltsstoffe und b) regelmässiger Verzehr entzündungshemmender Vitalstoffe kombiniert, kann der Entstehung einer SI oder deren Chronifizierung entgegengewirkt werden.

Zu den Lebensmittelinhaltsstoffen, die wie Brandbeschleuniger auf die Entzündung wirken, zählen schnell verfügbare Kohlenhydrate wie Zucker und Weissmehlprodukte. Steht ihrer Aufnahme kein entsprechender Verbrauch durch angemessene körperliche Aktivität entgegen, provozieren sie Blutzucker- und Insulinspitzen. Insulin fördert den Aufbau von Leber- und Körperfett. Körperfettzellen schütten Entzündungsbotenstoffe (Adipokine, IL-1, IL-6, TNF, CRP) aus, die zu einem stetig aktivierten Immunsystem führen. Daher liegt bei Übergewicht fast immer sowohl eine lokale als auch systemische unterschwellige Entzündung im Körper vor.

Durch die regelmässigen Insulinspitzen wird parallel zum Übergewicht auch das Risiko für eine nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) erhöht. Fast 30 Prozent der Allgemeinbevölkerung weisen bereits eine NAFLD auf. Sie ist durch Entzündungen gekennzeichnet, führt zu einer veränderten Leberstruktur mit möglicher Leberfibrose, verbunden mit erhöhter Morbidität und Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch bestimmte Blutfettwerte, die Triglyzeride, steigen im Blut durch hohen Konsum schnell verfügbarer Kohlenhydrate deutlich an. Neueste Studien dokumentieren, dass erhöhte Triglyzeridwerte körpereigene Abwehrzellen so verändern, dass sie analog einer bakteriellen Infektion reagieren.

Das Immunsystem wird aktiviert und setzt Autoimmunprozesse in Gang. Die so provozierten Entzündungen können Gefässwände angreifen und zu einer Arterienverkalkung führen sowie im chronischen Verlauf die Nieren schädigen. Praktisch bedeutet dies: Je höher der Anteil schnell verfügbarer «süsser» Kohlenhydrate, desto höher ist das Entzündungsrisiko.

Auch eine Einschränkung beim Zellgift Alkohol wirkt sich günstig auf das Entzündungsrisiko aus. Die mehrfach ungesättigten Omega-6-Fettsäuren wie Linolsäure werden im Körper zu Arachidonsäure verstoffwechselt. Diese Fettsäure verstärkt Entzündungsprozesse. Für die Arachidonsäure gilt, je weniger, desto besser. Lebensmittel mit einem hohen Arachidonsäuregehalt sind fettreiche Fleischsorten und Wurstwaren, Innereien, Eigelb und Schmalz.

Entzündungshemmend essen

Die Fettsäurezusammensetzung des Muskelfleischs wird durch die Haltung der Tiere mitbestimmt. Wild und Fleisch aus biologischer Tierhaltung schneiden besser ab als konventionell produziertes Fleisch. Auch bei Milch und Milchprodukten empfiehlt sich die Bio-Variante. Linolsäure ist z. B. in Sonnenblumen-, Weizenkeim- und Distelöl, in Margarine sowie in vielen Fertigprodukten in grösseren Mengen enthalten und möglichst zu meiden. Als pflanzliche Öle empfehlen sich Oliven- und Leinöl, als Streichfett Bio-Butter.

Ist zu viel Arachidonsäure im Körper vorhanden und stehen ihr nicht ausreichend der mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA als entzündungshemmende Gegenspieler gegenüber, sind Entzündungsprozesse vorprogrammiert.

Leinöl enthält relevante Omega-3-Fettsäureanteile in Form von Alpha-Linolensäure. Es ist geeignet, die Omega-6-Aufnahme zu reduzieren. Allerdings wird aus pflanzlichen Omega-3-Fettsäurequellen weniger als zehn Prozent in die vom Körper benötigten, entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA überführt. Daher müssen beide lebensnotwendigen Fettsäuren in direkter Form aus marinen Quellen wie fettem Seefisch (Hering, Lachs, Makrele) und bestimmten Algen regelmässig aufgenommen werden. Eine Alternative sind hochwertige natürliche Omega-3-Fischölpräparate oder Algenpräparate mit hohem Anteil an EPA und DHA.

Die antientzündliche Wirkung von sekundären Pflanzenstoffen (SPS) aus pflanzlichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Nüssen und Samen ist nachgewiesen. So können z. B. 250 Gramm Heidelbeeren pro Tag über sechs Wochen verzehrt wichtige Entzündungswerte verbessern. Zu diesen SPS gehören z. B. Polyphenole wie Anthocyane in dunklen Beeren, Eipigallocatechingallat aus Grüntee, Kakaoflavanole und Curcumin aus Kurkuma.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt zu dem Schluss, dass neun Einheiten Gemüse und Obst pro Tag empfehlenswert sind. Diese Mengen sind im Alltag kaum zu realisieren. Ob eine über den tatsächlichen Bedarf hinausgehende Vitaminzufuhr Entzündungen zu vermeiden hilft, ist umstritten. Belegt ist die Verknüpfung einer niedrigen Vitamin-D-Versorgung mit Entzündungsprozessen. Auf Basis einer Labordiagnostik können mit einer individuell abgestimmten Vitamin-D3-Substitution, ideal in Kombination mit Vitamin K2, messbar positive Auswirkungen auf Entzündungswerte erzielt werden. Scharfe Gewürze wie Chili, Ingwer und Pfeffer wirken durch ihre Inhaltsstoffe Capsaicin, Gingerol oder Pipperin ebenfalls entzündungshemmend. Eine besondere Stellung nimmt das Curcumin aus der Kurkuma-Wurzel ein. Es unterstützt das schnelle Abklingen der Entzündungsprozesse.

 

Kleine Entzündungskiller

Im Gewürz Kurkuma weist das Curcumin allerdings nur eine geringe Bioverfügbarkeit auf. Für den anti-entzündlichen Einsatz ist daher die Einnahme von Curcumin als Nahrungsergänzungsmittel empfehlenswert. Hochwertige Präparate, die das fettlösliche Curcumin zusammen mit ringförmigen, wasserlöslichen Glucosemolekülen enthalten, weisen eine deutlich bessere Bioverfügbarkeit des Curcumins auf.

Unterschwellige Entzündungen sind direkt mit dem Status der Darmmikrobiota verbunden. Daher zählt der Einsatz von Prä- und Probiotika aktuell zu den wichtigsten Interventionen, um das Entzündungsrisiko zu reduzieren. Präbiotika sind langkettige Kohlenhydrate wie Inulin, resistente Stärke und Oligofructose. Sie sind Futter für die Mikrobiota im Darm. Probiotika hingegen sind lebende, nichtpathogene Mikroorganismen mit vielfältigen gesundheitsfördernden Wirkungen. Die bekanntesten Probiotika stammen aus der Gruppe der Milchsäurebakterien wie z. B. Bifido und Lactobacillus. Sie sind in vergorenen, nicht hitzebehandelten Lebensmitteln wie Kefir und Joghurt zu finden. Mit gezielt eingesetzten Präparaten kann die Probiotika-Aufnahme optimiert werden. Durch eine magensaft-resistente Kapsel erreichen die Mikroorganismen direkt und vor allem vor der Magensäure geschützt ihren Bestimmungsort im Darm. Dies ist ein Vorteil gegenüber fermentierten Nahrungsmitteln, bei denen Unsicherheit besteht, ob sie wirklich den Darm in einer ausreichenden Menge erreichen. Zudem gilt es, auf eine hohe Bakterienzahl (mind. 40 Mrd. Bakterien pro Tagesdosis) aus mindestens acht unterschiedlichen Stämmen im Präparat zu achten. Einige Ballaststoffe aus pflanzlichen Lebensmitteln werden von der Mikrobiota im Dickdarm zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut. Sie senken den pH-Wert im Dickdarm, wodurch bestimmte pathogene Bakteriengruppen nicht überleben können, und versorgen die Darmzellen mit Energie. So kann eine bessere Barriere für pathogene Keime gebildet und Entzündungsreaktionen gemindert werden. Auch das Risiko chronisch entzündlicher Darmerkrankungen verringert sich.

 

Exemplarischer Tagesplan für eine antiinflammatorische Ernährung:

Frühstück:

1 Tasse Grüntee

Haferflocken mit Heidelbeeren, roten Trauben und Naturjoghurt, 1 EL Flohsamenschalen und Fischöl-Präparat unterrühren (enthält SPS, n3-Fettsäuren, Ballaststoffe, Probiotika)

Mittagessen:

Scharfe Gemüsepfanne mit Hülsenfrüchten in Kokosmilch gekocht, gewürzt mit Kurkuma, Ingwer und Chili (enthält SPS, besonders Curcumin, Capsaicin, Ballaststoffe)

Nachmittagssnack:

Schokolade mit 85-prozentigem Kakao-Anteil und Walnüsse (enthält n3-Fettsäuren, Kakaoflavanole, EGCG), 1 Tasse Grüntee oder Kaffee (enthält SPS)

Abendessen:

Eiweiss-Vollkornbrot mit Räucherlachs dazu ein gemischter Rohkost-Salat mit Leinöl (enthält n3-Fettsäuren, SPS, Ballaststoffe)

 

Tipps für den Speiseplan:

  • mehr dunkle Beeren und dunkelrote Obstsorten essen
  • mindestens drei Seefischmahlzeiten pro Woche und / oder Omega-3-Fettsäureergänzung
  • mit Kurkuma und Ingwer würzen
  • Vitamin-D-Spiegel bestimmen und entsprechend substituieren
  • Lein- und Rapsöl als Dressing für die tägliche Rohkost
  • Sonnenblumen-, Maiskeim-, Distelöl und Margarine in der Küche vermeiden
  • regelmässig mindestens drei Portionen Gemüse am Tag
  • auf Zucker, Süssigkeiten und Weissmehlprodukte verzichten
  • Fleisch, Milch und Eier aus Bio-Produktion, Wildfleisch als Alternative zu herkömmlichen Fleischsorten

 

 

 

 

Uwe Schröder ist Oecotrophologe am Institut für Sporternährung e.V. Bad Nauheim. Er betreut wissenschaftliche Studien des Instituts und ist zuständig für die Ernährungsberatung der Sportklinik Bad Nauheim. Er ist Buchautor und verfasst Artikel, u. a. bei KOSMETIK international.

u.schroeder@dise.online.de

 

 

 

Text: Uwe Schröder

Fotos: stock.adobe.com (2), Uwe Schröder (1)

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