Wellness mit Mehrwert
Wohlfühlprogramme unter ärztlicher Aufsicht
Medical Spas boomen. Mit der Kombination aus körperlicher und geistigseelischer Entspannung sowie medizinischen Angeboten erschliesst sich vor allem die Luxus- Hotellerie zahlungskräftige Zielgruppen.
Ultima Clinic klingt nach Krankenhaus, bezeichnet jedoch eine Abteilung des Hotel-Spas La Prairie im schicken Schweizer Skiort Gstaad. Nomen est Omen! Denn hier geht es nicht nur um Wellness, sondern um hochqualifizierte ärztliche Behandlung. Wie in Gstaad erweitern vielerorts Luxushotels ihre klassischen Spa-Bereiche um eine medizinische Komponente und kommen damit offenbar den Wünschen der Gäste entgegen.
Umfangreiche Tests
Eine „revolutionäre Klinik“ nennt das Online-Magazin „The Milliardaire“ das „Ultima“. Schon fünf Tage vor der Ankunft eines Gastes wird ein DNATest durchgeführt, zu Beginn seines Aufenthalts ein Bluttest – beides Grundlagen für ein vom Arzt mit ausgearbeitetes medizinisches Wellness- Programm. Die wichtigste Rolle spielt dabei die Nutrigenetik, also konkrete Ernährungsempfehlungen, ausgehend von der DNA des Gastes, um Krankheiten zu verhindern bzw. zu kurieren. Zum Klinik-Angebot zählt zudem Vampire Lifting alias „Platelet Rich Plasma“, bei dem eigenes Plasma des Patienten in bestimmte Gesichtsbereiche injiziert wird.
Ein luxuriöses Ambiente zeichnet auch das medizinische Zentrum des Grand Resort Bad Ragaz aus. Zum umfassenden Betreuungsangebot auf Fünf-Sterne-Niveau mit einem Team von mehr als 70 hochspezialisierten Ärzten und Therapeuten gehören zwar nach wie vor eher traditionelle Anwendungen mit heilendem Thermalwasser aus der nahen Tamina- Schlucht. Den Schwerpunkt bilden heute jedoch Ernährungsberatung, Bewegung und Sport, Dermatologie und Beauty-Treatments wie Behandlungen von Narben, Akne, Rosacea, Pigmentflecken sowie die Lasertherapie zur Hautverjüngung.
Das erfolgreiche Konzept beider Schweizer Hotels liegt in der Verbindung eines luxuriösen Ambientes mit modernsten Klinikeinrichtungen, anerkannten Fachärzten – und natürlich absoluter Diskretion. Ähnliches bietet das „House of Wellbeing“ in der Villa Stéphanie des Brenners Park Hotel & Spa in Baden-Baden. In der historischen Bäderstadt setzt man besonders auf ein entschleunigtes, ganzheitliches Verständnis von Wellness. Fachärzte verschiedener Bereiche, darunter medizinische Ästhetik, holistische Medizin, Augen- und Zahnmedizin, erstellen ein medizinisches Spa-Programm für jeden einzelnen Gast. Oder sollte man lieber sagen: Patienten?!
Die Verheissung ewiger Jugend
Dass Körper und Seele, Gesundheit und Wohlfühlen eng miteinander verflochten sind, zählt zu den Grunderkenntnissen der östlichen Medizin. Und so sind auch in Asien exklusive medizinische Spa-Destinationen zu finden. Chiva-Som in Thailand etwa, hochgelobt vom Lifestyle-Magazin „Elite Traveler“ als „Refugium für ewige Jugend“. Im Niranlada Medi- Spa des Resorts arbeiten Dermatologen und Schönheitschirurgen, die in den USA ausgebildet und in ästhetischer Medizin zertifiziert sind, für nicht-invasive Laserbehandlung, mikro- invasive kosmetische Chirurgie und Anti-Aging-Medizin. Natürlich stehen auch klassische Wohlfühlbehandlungen auf dem Programm, schliesslich gehört zur Philosophie von Chiva-Som unabdingbar das Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele.
Osten trifft Westen
Die mehrfach ausgezeichnete SHA Wellness Clinic liegt zwar in Spanien, setzt aber ebenfalls auf asiatische Weisheit und Tradition, kombiniert mit naturwissenschaftlichem Knowhow: So kommen Heilmethoden der östlichen Medizin wie Akupunktur oder makrobiotische Ernährung genauso zum Einsatz wie neueste Behandlungsmöglichkeiten der westlichen Medizin.
Dazu zählen etwa Kryotherapie, also Behandlungen mit Kälte, Neuro- bzw. EEG-Feedback, basierend auf Gehirnstromkurven, sowie Genom- und Telomere-Tests: Bei ersterem wird untersucht, ob der genetische Code problematische Veränderungen aufweist; bei Telomeren geht es um das genetische Material am Ende jedes Chromosoms, das entscheidend ist für die korrekte Kopie der Zelle und damit für das Jungbleiben oder zumindest langsamere Altern.
Jede Spa-Destination setzt natürlich ihre eigenen Schwerpunkte. Doch mögen sich die Ansätze der Medical Spas im Einzelnen auch unterscheiden, das Basiskonzept bleibt dasselbe: Sie alle kombinieren ärztliche Betreuung, die normalerweise in einer Praxis stattfindet, mit der Erlebniswelt eines Spas, verbinden klassische Wellness- Leistungen mit medizinischen Behandlungen und Therapien.
Breite Angebotspalette
Dazu zählen u. a. Mikrodermabrasion, chemische Peelings, Hautverjüngung mithilfe eines IPL-Systems, die Injektion von Füllstoffen zur Faltenminderung, Gewebestraffung oder auch Venen-, Narben- und Schwangerschaftsstreifentherapie. Für die Qualität der Medical Spas sorgen dabei auf medizinischer Seite hauptberuf lich tätige Ärzte, qualifizierte Krankenschwestern, Apotheker und Physiotherapeuten, auf der Wohlfühlseite die Erfahrung und das Knowhow der luxuriösen Hotels.
Und das Konzept hat grossen Erfolg: Weltweit zählte das Global Wellness Institute 2018 über 6 800 medizinisch ausgerichtete Spas, rund fünf Prozent der gesamten Einrichtungen. Der Grund für diesen Boom, so die International Medical Spa Association, liege in der modernen Arbeitswelt: Menschen arbeiten zunehmend bis ins hohe Alter, wollen aber jung aussehen. Und da kosmetische Behandlungen irgendwann nicht mehr das erhoffte Resultat bringen, sind medizinische Eingriffe zunehmend gefragt. Spas bringen exklusiven Hotels neue Gäste und somit höhere Einnahmen. Offenbar scheint sich das dicke Finanzpolster, das für die hohen Anfangsinvestitionen nötig ist, zu amortisieren. Im gesamten Beauty-Bereich lässt sich ausserdem der Trend zu Behandlungen mit dem Label „Medical“ beobachten. Ob die Menschen mehr Vertrauen haben in die Wirksamkeit „medizinischer“ Kosmetik und Spas? Oder ist es nur eine vorübergehende Mode? Eröffnet die Medizin im Spa neue Möglichkeiten der Schönheitspflege, der Hautverbesserung und Ästhetik?
Der geschäftsführende Vorsitzende des Deutschen Wellnessverbands, Lutz Hertel, äussert sich auf Anfrage eher kritisch: „Für uns hat ‚Beauty-Medizin‘ nichts mit Wellness zu tun. Viele Leistungen in Spas mögen auch ganz ohne medizinische Angebote dem Wohlfühlen, Entspannen und der äusseren Schönheit dienlich sein“, erklärt er. Das berühre aber gewöhnlich nicht den Lebensstil und die Lebens-einstellung, worum es bei Wellness gehe. „Luxushotels“, so Hertel weiter, „können in ihren Spas machen, was ihnen beliebt, solange es nicht gegen geltendes Recht und Gesetz verstösst.“ Dazu gehörten seit vielen Jahren auch Dienstleistungen aus dem Bereich der ästhetischen Medizin. Es verstehe sich von selbst, dass im Interesse der Hotelbetreiber sowie auch der Gäste medizinische Leistungen nur von Experten erbracht würden, die für das jeweilige Fachgebiet qualifiziert seien, so sein Resümee.
Gründlich prüfen
Nicht nur der Deutsche Wellnessverband, auch andere Kenner der Branche raten Patienten vor dem Besuch eines Medical Spa, selbst zu recherchieren, ob die dort arbeitenden Ärzte für Schönheitsmedizin qualifiziert sind – und nicht aus anderen Fachdisziplinen kommen und ihren Verdienst aufbessern wollen durch gelegentliche Mitarbeit im Spa. Und ob die hierzulande sehr strengen Hygienevorschriften rigoros eingehalten werden. Der Gast verlässt sich darauf – ganz besonders bei Medical Spas.
Wer es sich leisten kann, der zahlt gerne etwas mehr für die perfekte Kombination aus High End-Ambiente, erstklassigen Wellness-Behandlungen und echter medizinischer Therapie. So versprechen Medical Spas in Luxushotels mit ihrer sanften Musik dem Verwöhnfaktor in Ausstattung und Service das Beste aus Medizin und Wellness: hochklassige fachärztliche Betreuung in einer exklusiven, entspannenden Umgebung.
Autorin:
Beate Kuhn-Delestre hat Psycholinguistik und Soziologie studiert. Die freie Journalistin arbeitet für das Fernsehen, für Printmedien, Theaterproduktionen und hat sich auch als Autorin zahlreicher Doku-Filme einen Namen gemacht. Sie schreibt seit 1989 für KOSMETIK international.
Kontakt:
beate.kuhn-delestre@orange.fr
Text: Beate Kuhn-Delestre
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